Rangierbahnhof Limmattal in den Gemeinden Spreitenbach und Dietikon: Auf dem Terminal für den kombinierten Verkehr von Schiene und Strasse steht eine Rangierlokomotive.
Sie hat eine sogenannte Hybridkupplung. Einerseits kann diese Lok mit der herkömmlichen Schraubkupplung Wagen anhängen. Andererseits kann sie aber auch vollautomatisch kuppeln, es braucht dann keinen Arbeiter mehr, der die Kupplungen manuell verbindet. Dazu hat die Lok einen der neuen Kupplungsköpfe und natürlich muss auch der Bahnwagen mit diesem automatischen Kupplungskopf ausgerüstet sein.
Der betreffende Bahnwagen ist ein «Taschenwagen». Man kann darauf ganze Lastwagen transportieren oder auch nur Container. Für die Kupplung fährt die Rangierlokomotive ganz langsam auf den Güterwagen zu.
Es macht «klick» und schon sind die beiden Gefährte fest miteinander verbunden. Auch die Bremsleitungen schliessen sich automatisch zusammen. Der Kupplungsvorgang dauert nur wenige Sekunden. Ein Rangierarbeiter ist dazu nicht nötig, es braucht also niemanden im Gefahrenbereich zwischen den Wagen. Ganz anders bei den Schraubkupplungen. Diese sind seit 100 Jahren im Einsatz bei der SBB und haben sich in dieser Zeit praktisch nicht verändert.
Um zwei Wagen oder eine Rangierlok mit einem Wagen zu kuppeln, muss bei der alten Schraubkupplungen ein Rangierarbeiter zwischen den beiden Wagen stehen. Von Hand muss er den schweren Verbindungsbügel auf den Haken des Gegenstücks legen und dann die Verbindung verschrauben. Auch die Bremsleitungen muss er manuell kuppeln und dann öffnen.
Dalip Kryeziu kennt diese Arbeit sehr gut. Seit fast 20 Jahren rangiert er für SBB Cargo Güterwagen.
Die Arbeit zwischen den Güterwagen sei streng und gefährlich. Ihm selber sei noch nie etwas passiert, aber er wisse von Unfällen. Mit den automatischen Kupplungen sei das Rangieren einfacher, sicherer und schneller geworden. Er hofft, dass möglichst bald alle Güterwagen von SBB Cargo damit ausgerüstet werden. Verliert er dann nicht seine Arbeit? «Nein, ich muss ja doch noch auf dem Bahnwagen stehen und hin- und herfahren. Ich habe schon noch Arbeit.»
Die automatischen Kupplungen von SBB Cargo sind ein Automatisierungsprojekt. Zuständig dafür sind Anna-Maria Sonntag (Leiterin Automation, links) und Jasmin Bidgdon (Fahrzeuge und Technologie) von SBB Cargo.
Es gehe darum, den Güterverkehr schneller zu machen. Die Kunden wollten, dass ihre Waren möglichst schnell vom Lastwagen über den Containerterminal zu den Kunden gelangen. Daneben sei aber der Kampf gegen den Personalmangel der wichtigste Aspekt bei der Umstellung auf automatische Kupplungen.
Anna-Maria Sonntag: «Unser Rangierpersonal hat momentan ein Durchschnittsalter von 50 Jahren. Wir haben in den nächsten 10 Jahren eine extreme Pensionierungswelle, die auf uns zukommt. Wenn wir nachrekrutieren, stellen wir fest, dass sich bei einer Ausschreibung niemand meldet, weil dieser Job für junge Leute nicht attraktiv ist. Und darum sind wir genötigt, mit Technologie Lösungen zu finden, die das Berufsbild attraktiver gestalten.»
Ein «attraktiveres Berufsbild» – das heisst ein moderneres, auch digitalisiertes Berufsbild. Die automatischen Bremsen sind denn auch nur ein Teil einer umfassenden Automatisierungs- und Digitalisierungsstrategie von SBB Cargo. Ein weiteres Projekt heisst «Unbesetzte Spitze». Es geht um die Rangierlokomitiven.
Diese erhalten ein Assistenzsystem, ein Kollisionswarnsystem. Bis jetzt muss der Lokführer beim Rangieren immer zuvorderst im Zug sein und in Fahrtrichtung schauen. So sieht er Hindernisse rechtzeitig. Wenn er aber in die Gegenrichtung fahren will, was im Rangierverkehr sehr oft nötig ist, muss er zu Fuss ans andere Ende des Zuges gehen und ihn dann von dort steuern. Dadurch geht viel Zeit verloren. Mit dem neuen System kann der Lokführer beim Rangieren immer am gleichen Ort auf dem Zug bleiben. Sensoren warnen ihn, wenn das Gleis nicht frei sein sollte.
Und noch ein drittes Projekt läuft bei SBB Cargo. Es geht um die automatische Bremsprobe. Bis jetzt sind dazu zwei Personen nötig, der Lokführer, der die Bremsen betätigt und ein Rangierarbeiter, der bei jedem Wagen manuell kontrolliert, ob die Bremsen auch wirklich greifen. Neu gibt es an jeder Bremse Sensoren. Diese melden ihren Status per Funk dem Lokführer, und dieser kann auf einem Tablet-Computer kontrollieren, ob alles funktioniert. Die Bremsprobe geht dadurch viel schneller und mit der Hälfte des Personals.
SBB Cargo testet die automatischen Kupplungen und später die «Unbesetzte Spitze» und die automatische Bremsprobe seit Anfang Mai im kombinierten Verkehr Schiene/Strasse.
Nur Wagen, die Container oder ganze Lastwagen transportieren, gehören zum Pilotprojekt. Bis jetzt laufe der Betrieb stabil, bilanziert SBB Cargo. Alle Güter hätten ihre Ziele rechtzeitig erreicht, die Kunden seien zufrieden. Es sei nicht Ziel von SBB Cargo, den gesamten Rangierbetrieb automatisch zu machen, das heisst ferngesteuert von einem Kontrollzentrum aus. Das sei aus Sicherheitsgründen gar nicht machbar.
Dennoch ist das Pilotprojekt mit den automatischen Kupplungen, das aktuell auf dem Güterbahnhof bei Spreitenbach getestet wird, ein Schritt in Richtung Automatisierung und Digitalisierung des Güterverkehrs auf der Schiene.