Vorausgegangen war dem Vertrag von Lausanne der Vertrag von Sèvres von 1920. Dieser sah nach dem Ersten Weltkrieg eine ganz andere Verteilung des Osmanischen Reichs vor und wollte ganz andere Grenzen der Nationalstaaten der Türkei und Griechenland, Syrien, dem Iran und dem Irak geltend machen: Grosse Teile des ehemaligen Osmanischen Reichs sollten an Frankreich, Grossbritannien und Griechenland abgetreten werden. Im Osten wäre ein unabhängiges Armenien entstanden, die Kurden hätten einen eigenen Staat erhalten.
Doch dieser Vertrag wurde von der Türkei als Diktatfrieden bezeichnet und nie ratifiziert. Mit der Weigerung ging, angeführt vom Republik-Gründer und dem damaligen General Kemal Atatürk, ein bewaffneter Widerstand einher und bescherte der Türkei den Sieg über Griechenland von 1922. In der Folge stand Atatürk als grosser Sieger da. Die säkularen, nationalistischen Jungtürken übernahmen definitiv die Macht und erzwangen Neuverhandlungen.
Am 24. Juli stand dann der Vertrag von Lausanne, der den Vertrag von Sèvres nichtig machte. Die Grenzen der Türkei und im Nahen Osten wurden anders als vorgesehen gezogen, die Karte von 1923 ist heute noch aktuell.
Bei manchen war und ist die Verbitterung über die Planänderung vor 100 Jahren gross: Die Armenier haben keinen eigenen Staat bekommen. Die Kurden waren in Lausanne faktisch nicht vertreten und wurden stattdessen unter die Türken subsumiert und auf vier Staaten verteilt.
Verteilt wurden dann auch rund zwei Millionen Menschen. Griechen aus der Türkei und Türken aus Griechenland, die oft Generationen im jeweiligen Land gelebt hatten. Dies im Rahmen eines Zusatzabkommens des Lausanner Vertrags. Was als «Bevölkerungsaustausch» schöngeredet wurde, war eigentlich eine Zwangsvertreibung für beide Seiten. Entsprechend brachte der Vertrag von Lausanne vielen Menschen grosses Leid und schürte weitere Konflikte – das Ziel, dem Nahen Osten Frieden zu bringen, hat er verfehlt.