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140 Millionen Franken Sitzt der Bund im goldenen Käfig von Microsoft?

Warum sich die Bundesverwaltung immer wieder für Produkte von Microsoft statt für Open-Source-Alternativen entscheidet – und warum das ein Problem ist.

Ende 2024 hat die Bundesverwaltung über 140 Millionen Franken an Microsoft bezahlt. Damit sicherte sich das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) für die nächsten zwei Jahre Zugang zu Microsofts MS Office 365.

Eine Ausschreibung gab es nicht, denn es sei «weiterhin zwingend erforderlich», diese Leistung bei Microsoft einzukaufen – so steht es im Zuschlagsentscheid.

Der aktuelle Fall reiht sich in ein Muster ein: Der Bund setzt immer wieder auf Produkte von Microsoft, obwohl Open-Source-Alternativen verfügbar wären. Bereits 2023 schrieb der Bund in einer Mitteilung: «Faktisch ist die Bundesverwaltung heute abhängig von Office-Produkten des Herstellers Microsoft.»

Open Source

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«Open Source» bedeutet, dass der Quellcode einer Software öffentlich ist. Er ist für alle Interessierten einsehbar und kann von diesen genutzt, weiterentwickelt und weitergegeben werden.

Warum ist das ein Problem?

Die Abhängigkeiten von Microsoft ist problematisch, unter anderem führt sie zu höheren Kosten, wie die Bundeskanzlei gegenüber SRF bestätigt: «Die Abhängigkeit von Microsoft führt dazu, dass die Firma eine starke Position bezüglich der Preise hat.» Auch Matthias Stürmer, Professor für Ver­waltungs­digitali­sierung und Präsident von CH Open, sagt: Alternativen wären viel günstiger zu haben.

Die Kritik im Detail

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Abhängigkeit

Software von Microsoft kann man nicht als fertiges Produkt kaufen, sondern sie nur mit kostenpflichtigen Lizenzen für eine bestimmte Zeit nutzen. Dieses Modell nennt man «Software-as-a-Service». Die Nutzenden, in diesem Fall die Bundesverwaltung, seien dadurch abhängig von der IT-Firma, erklärt Matthias Stürmer, Berner Professor für Verwaltungsdigitalisierung und Präsident von CH Open.

Cloud-Lösungen, bei denen die Software nicht auf einem lokalen Rechner ausgeführt wird, sondern in entfernten Datenzentren, verstärken die Abhängigkeit noch. Das bestätigt die Bundeskanzlei gegenüber SRF: «Die Cloud-Only-Strategie von Microsoft führt gleichzeitig zu einer höheren Abhängigkeit. Es wird durch die stärkere Anbindung künftig schwieriger, auf mögliche neue Anbieter zu wechseln.»

Kosten

Diese Abhängigkeit schlägt sich in den Preisen nieder. Ist ein Produkt für den Kunden «zwingend erforderlich», kann der Anbieter verlangen, was er will.

Die Bundeskanzlei bestätigt: «Die Abhängigkeit von Microsoft führt dazu, dass die Firma eine starke Position bezüglich der Preise hat, was entsprechende Kostenfolgen nach sich zieht.»

Alternativen wären häufig günstiger, der MS-Office-Konkurrent «LibreOffice» zum Beispiel ist sogar ganz gratis. Klar brauche es gewisse Investitionen bei der Einführung, gibt Matthias Stürmer zu bedenken: «Grössere Organisationen – Schulen, Behörden, Firmen – brauchen professionellen Support und Schulungen, und das kostet dann wieder.»

Sicherheit

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Sicherheit. Die Bundeskanzlei schreibt dazu: «Sicherheit ist ein wichtiges Thema und ein Stück weit begibt man sich in eine Abhängigkeit und baut auf die hohen Investitionen in die Sicherheit, die Microsoft tätigt.»

Open-Source-Alternativen wären grundsätzlich sicherer, erklärt Matthias Stürmer: «Wenn der Quellcode offen verfügbar ist, gilt er als sicherer, denn Transparenz fördert das Finden von Fehlern und verhindert, dass jemand schlechten Programmcode schreibt.»

Auch die Bundesverwaltung sieht das so. Sie ist daher verpflichtet, den eigenen Code als Open Source zu publizieren. Kauft sie hingegen Software ein, so ist «Open Source Software gleichwertig zu proprietärer Software zu behandeln», wie die Bundeskanzlei auf ihrer Webseite schreibt.

Datenschutz

Der Bund versichert, dass die Angestellten «keine besonders schützenswerten Daten sowie keine vertraulichen Dokumente» in der Cloud speichen würden. Wie gut das in der Realität klappt, ist schwer einzuschätzen, doch es gilt wohl die Regel: Fehler passieren immer.

Mit Open-Source-Alternativen wäre das Problem des Datenschutzes komplett gelöst, sagt Matthias Stürmer, weil man die Software auf dem eigenen Server installieren kann.

Open-Source-Alternativen wären zudem grundsätzlich sicherer, so Matthias Stürmer, denn deren Quellcode sei offen, sodass jeder Fehler darin finden könne. Die Bundeskanzlei verweist in dieser Frage auf die «hohen Investitionen in die Sicherheit, die Microsoft tätigt.»

Faktisch hat Microsoft Zugriff auf diese Daten.
Autor: Matthias Stürmer Professor für Verwaltungsdigitalisierung und Präsident CH Open

Bei Cloud-Lösungen kommen noch Datenschutzbedenken dazu: Bei Microsoft kann es immer sein, dass vertrauliche Daten in den USA landen. «Faktisch hat immer Microsoft und letztendlich die amerikanische Regierung Zugriff auf diese Daten», so Matthias Stürmer. Mit Open-Source-Alternativen wäre dieses Problem gelöst, weil man die Software auf dem eigenen Server installieren kann.

Wieso wird es trotzdem so gemacht?

Die Bundeskanzlei schreibt auf Anfrage: «Microsoft ist faktisch weltweit ein Standard.» Matthias Sürmer bestätigt das: «80 Prozent der Firmen und Behörden haben Microsoft im Einsatz», schätzt er. Die Mitarbeitenden seien sich diese Software gewohnt und könnten sie effizient nutzen. Auch technisch sei alles auf die bestehende Lösung eingerichtet, alle Schnittstellen funktionierten problemlos.

Smartphone-Bildschirm mit Microsoft Office App-Seite im Play Store.
Legende: Zu Microsoft gehört das Betriebssystem Windows und das MS-Office Paket, das unter anderem die Programme Word, Excel, Powerpoint und Teams beinhaltet. Microsoft bietet auch eine Cloud-Lösung namens «Azure» an und eine künstliche Intelligenz namens «Microsoft Copilot». IMAGO / YAY Images

Das betont auch die Bundeskanzlei: «Dieser De-Facto-Standard führt zu weiteren über die Jahre gewachsenen Abhängigkeiten, weil auch andere wichtige Anwendungen auf Microsoft-Produkten aufbauen.» Die IT-Architektur der Bundesverwaltung auf einen anderen Anbieter umzusatteln wäre daher kostspielig: Die Kosten lägen laut Bundeskanzlei um ein Vielfaches höher als die aktuellen Lizenzkosten.

Gibt es wirklich keine Alternativen?

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Es gebe keine gleichwertige Alternative zu Microsoft, das scheint eine verbreitete Ansicht zu sein.

«Das Microsoft-Office-Paket ist so vielfältig, da gibt es keine exakte Kopie», sagt Matthias Stürmer. «Aber die Frage ist: Was braucht man wirklich?» Im Alltag brauche man vielleicht 10-20 Prozent der Funktionen, und auch ein versierter Nutzer komme nicht über 50 Prozent, schätzt Stürmer. Und für diesen eingeschränkten Funktionsumfang gebe es durchaus Optionen.

LibreOffice ist eine der bekanntesten Alternativen für MS-Office (z.B. Word, Excel, Powerpoint). Das Programm-Paket sieht fast gleich aus wie die Programme von Microsoft und gilt auch als funktional ungefähr ebenbürtig. Der Unterschied: LibreOffice ist Open-Source-Software und kostet nichts. Matthias Stürmer erzählt, er selbst brauche seit rund 20 Jahren LibreOffice.

Auch bezüglich Cloud gebe es Alternativen, allerdings seien diese noch nicht ganz so benutzerfreundlich wie die Angebote von Microsoft oder Google. «Hier muss die Open-Source-Community noch nachholen», so Stürmer.

Es gebe aber noch einen weiteren Grund, ist Matthias Stürmer überzeugt: «Nobody has been fired for buying Microsoft....» Wer als Entscheidungsträger die Standardlösung kaufe, die auch alle anderen nutzten, werde deswegen nicht in der Kritik stehen. Wer etwas Neues wage, riskiere hingegen seine Karriere.

Die Kosten dafür tragen wir alle: Als Steuerzahler, die für teure Software aufkommen müssen. Und als Kunden der Verwaltung, deren Daten und Sicherheit gefährdet sind. Wäre es vielleicht Zeit, den Status Quo einmal zu überdenken?

Die Bundesverwaltung hat eine IT-Architektur, die stark auf Microsoft abstützt. Eine Ablösung wäre ein Hochrisikovorhaben und hätte unabhängig vom Erfolg Investitionen zur Folge, die ein Vielfaches höher wären als die aktuellen Lizenzkosten.
Autor: Bundeskanzlei

Die Bundeskanzlei schreibt, die IT-Architektur in der Bundesverwaltung abzulösen, wäre ein «Hochrisikovorhaben». Sie prüfe jedoch, «ob für gewisse Anwendungsfälle andere Produkte beschafft werden können.»

Echo der Zeit, 1.2.2025, 18 Uhr

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