Vor 20 Jahren brach die Swissair zusammen. Aus den Scherben der nationalen Fluggesellschaft und auf Basis der Crossair wurde die Swiss aufgebaut. André Dosé war der letzte Chef der Crossair und der erste Geschäftsführer der Swiss. Im Gespräch blickt er auf diese Zeit zurück.
SRF News: Mit welchen Gefühlen schauen Sie heute zurück?
André Dosé: Da kommen sehr viele Erinnerungen wieder hoch. Es war eine sehr hektische Zeit. Vor 20 Jahren war nicht nur das Grounding, sondern auch der Absturz kurz darauf. Wenn man immer wieder in den Medien hört, das sei nun 20 Jahre her, wird das wieder sehr präsent.
Aber hat das Grounding rückblickend eine andere Qualität für Sie als damals, als es passierte?
Nein, gar nicht. Die Leute meinen immer, die Swissair habe des Geldes wegen aufhören müssen. Das ist natürlich komplett falsch. Für die Swissair war es schon zwei Wochen vorher zu Ende, weil man überschuldet war und es nicht mehr finanzieren konnte.
Für die Swissair war es schon zwei Wochen vorher zu Ende
Die Swissair hätte noch so lange fliegen sollen, bis die neue Fluggesellschaft – damals hiess sie noch Phönix – parat gewesen wäre. Doch dann verlor man die Kontrolle und es kam zum unkontrollierten Grounding.
Für Sie kam das Grounding weniger überraschend?
Für mich war es völlig klar, dass es passieren wird. Der damalige CEO Mario Corti hatte vier Tage zuvor eine Pressemitteilung vorbereitet, um das Grounding zu kommunizieren. Das wurde dann aber gar nie öffentlich gemacht.
Das Grounding wäre gar nie nötig gewesen
Und rückblickend weiss man auch: Das Grounding wäre gar nie nötig gewesen. Es wären noch genügend finanzielle Mittel vorhanden gewesen, wie später eine Untersuchung gezeigt hat.
Sie wurden der erste Chef der neuen Swiss. Ist es noch dieselbe Fluggesellschaft wie damals?
Für mich persönlich ist es immer noch mein Baby und wird es auch immer bleiben. Das war so ein riesiger Kraftakt von all diesen Leuten, die versucht haben, mit mir zusammen das zu realisieren. Es gab massive Kritik.
Jeden Tag mussten wir uns anhören, das werde nicht funktionieren. Die Leute haben eine wahnsinnige Leistung vollbracht – und das ist das, was geblieben ist. Das Fluggeschäft hingegen hat sich komplett geändert. Das kann man nicht vergleichen.
Was hat sich geändert?
Die Preise sind noch weiter gesunken, es gab eine gewisse Konsolidierung, Billiggesellschaften haben enorm zugelegt, die grossen Netzwerkgesellschaften haben zunehmend Schwierigkeiten, sich in diesem Markt zu behaupten.
Das Fluggeschäft hat sich komplett geändert
Die Flexibilität bei Easyjet oder Ryanair ist sehr viel grösser, die können sehr viel schneller umdisponieren, ohne dass sie auf ein Gesamtnetzwerk Rücksicht nehmen müssen. Die Ansprüche der Passagiere sind anders. Man will einen günstigen Tarif, kein Luxus-Essen mehr.
Im ersten Lockdown standen in Dübendorf die Flugzeuge in einer Reihe am Boden. Hat Sie das ans Grounding erinnert?
Man fühlt sich automatisch daran erinnert. Das waren Swiss-Flugzeuge, das tat mir persönlich weh. Es gab völlig andere Gründe, aber es ist ein Wahnsinn, was passiert ist. Was der grosse Unterschied ist: Die Krise ist global, damals war sie nur in der Schweiz. So global hat man das noch nie erlebt.
Wie haben Sie Ihre Zeit als CEO der Swiss, die abrupt zu Ende ging, abgespeichert?
Sehr positiv. Ich hatte die unglaubliche Chance, die Swiss aufzubauen. Ich hatte ein sensationelles Team. Darauf bin ich heute noch stolz. Für mich war damals klar, dass ich nicht mehr weitermachen wollte. Ich hatte Differenzen mit dem Verwaltungsrat. Aber auch jene, die nach mir kamen, haben das sehr gut gemacht und ich hoffe, dass die Swiss auch diese Krise wieder meistert.
Das Gespräch führte Michael Weinmann.