Es war eine Pionierleistung, die davor undenkbar war: Vor 50 Jahren, im Oktober 1971, wurde das erste ökumenische Kirchenzentrum der Schweiz Wirklichkeit. Die römisch-katholische und die reformierte Kirche taten sich im solothurnischen Langendorf zusammen. Beide Konfessionen brauchten in den 1960er-Jahren je eine neue Kirche.
Ausschlaggebend für das gemeinsame Projekt war das Zweite Vatikanische Konzil der katholischen Kirche 1964. Diese öffnete sich damit der Ökumene – für die beiden Kirchen in Langendorf ergaben sich neue Möglichkeiten. «Das war der Aufbruch der ökumenischen Bewegung. Sie haben entschieden, zusammen ein Kirchenzentrum zu bauen, weil Land hier zur Verfügung stand», sagt Martina Häberle, Präsidentin der Baukommission der reformierten Kirchgemeinde Solothurn.
Unten zusammen, oben getrennt
So entstand nach den Plänen des Zürcher Architekten Manuel Pauli das Zentrum in Langendorf. Gebaut aus Sichtbeton-Elementen steht es steht auf einem gemeinsamen Fundament. Im Untergeschoss geht der Übergang von der einen zur anderen Konfession nahtlos. Über dem Boden gibt es für Reformierte und Katholiken baulich klar getrennte Kirchenräume.
Der Betonbau sei zu dieser Zeit aussergewöhnlich gewesen für einen Kirchenbau, so Häberle. Und auch heute sei das Gebäude noch speziell: «Es ist eine nahezu fensterlose Kirche. Die wenigen Fenster befinden sich im Dach. Dadurch entsteht im Innenraum eine sehr schöne Lichtstimmung – was man von aussen nicht vermutet.» Auch nach 50 Jahren sei der Bau noch modern, findet die Architektin. Seit zehn Jahren steht das Kirchenzentrum unter kantonalem Denkmalschutz.
Eine Glocke für zwei Kirchen
Gegen das Zentrum habe es kaum Opposition gegeben, erklärt Urs Bentz von der Betriebskommission der römisch-katholischen Kirchgemeinde. Bis zum gemeinsamen Bau hätten die Langendörfer Katholiken die Gottesdienste in der Nachbargemeinde Oberdorf besucht. Das Bedürfnis nach einer eigenen Kirche im Dorf sei gross gewesen. Das gemeinsame Projekt mit den Reformierten sei darum gut aufgenommen worden.
Das Geläut ist katholisch und reformiert. Und das ist wunderbar.
Heute habe man sich an das gemeinsame Zentrum gewöhnt – und auch daran, dass es für beide Konfessionen nur eine Kirchenglocke gibt: «Das Geläut ist katholisch und reformiert. Und das ist wunderbar.»
Langendörfer sind «doppelt sozialisiert»
An die gemeinsame Arbeit in der Kirche müsse man sich aber zuerst gewöhnen. Das finden die reformierte Pfarrerin Dagmar Bertram und der katholische Pfarreiseelsorger Gilbert Schuppli. Er habe festgestellt, dass die Menschen in Langendorf «doppelt sozialisiert» seien, meint Schuppli. Auf der einen Seite besuchten sie eine katholische Eucharistiefeier, würden aber auch an ökumenischen Gottesdiensten teilnehmen. Das sei selbstverständlich.
Für gemischt-konfessionelle Paare spielt es keine Rolle, ob sie auf die katholische oder die protestantische Seite gehen.
Pfarrerin Bertram erzählt von gemischt-konfessionellen Paaren, die gemeinsam zum Gottesdienst kommen. Und für diese spiele es keine Rolle, «ob sie mal auf die katholische oder die protestantische Seite gehen».
Die Konfessionen einander näherzubringen sei allerdings auch in der heutigen Zeit nach wie vor wichtig, so Pfarreiseelsorger Gilbert Schuppli. Bei gemischten Paaren spiele es zwar keine Rolle mehr und auch Jugendliche könnten die früheren Grabenkämpfe nicht mehr nachvollziehen. Seelsorgerinnen und Pfarrer hätten aber den Wunsch, dass ökumenischer zusammengearbeitet werde.