1969 reichte James Schwarzenbach seine Initiative ein. Ziel: Den Ausländeranteil in der Schweiz von 16 Prozent (heute: 25 Prozent) auf zehn Prozent zu reduzieren. Rund 300’000 Ausländer hätten die Schweiz verlassen müssen. Es war die zweite «Überfremdungs-Initiative», die in den 60er-Jahren lanciert worden war. Das Thema Zuwanderung hatte das Jahrzehnt politisch im Griff: Von 1960 bis 1970 stieg der Zahl der Ausländer in der Schweiz von 500’000 auf eine Million – das in einer Zeit, als noch kein Mensch das Wort Multikulti kannte und Ferienreisen nach Italien für die meisten Schweizer noch etwas Exotisches waren.
Aber die Schweizer Wirtschaft war auf die Arbeitskräfte aus dem Süden angewiesen – wie auch alle anderen mitteleuropäischen Staaten: Alle wollten und mussten ihre Infrastruktur neu hinstellen oder den modernen Erfordernissen (Schulhäuser, Autobahnen, Kläranlagen) anpassen.
Nach dem Krieg fragte deshalb die Schweiz offiziell in anderen Ländern nach, ob sie Arbeitskräfte schicken wollten. Nach Berechnungen des Bundes fehlten in der Schweiz 100’000 Arbeiter. Aber Frankreich, Österreich und Deutschland lehnten ab, man brauchte jede arbeitsfähige Person selber. Nicht so Italien: Der Staat war froh, dass vor allem Italiener aus dem stark rückständigen Süden im Norden Arbeit erhalten sollten und so auch Geld nach Hause schicken konnten.
Gastarbeiter kamen – und blieben
Die ursprüngliche Idee war auf beiden Seiten, dass die jungen Leute nach einigen Jahren wieder in ihre Heimat zurückkehren, daher kommt der Begriff Gastarbeiter. Und deshalb kamen anfänglich vor allem Unverheiratete. Aber es kam anders: Für Gastarbeiter gab es im Norden immer mehr Arbeit, der Wirtschaftsboom setzte ein, nur ganz wenige gingen nach Hause zurück und der Lohn in der Schweiz war schon damals höher als in Italien.
Rechte aber hatten Ausländer hier wenige: Lange fanden sie nur in Arbeiterbaracken ein spärliches Zimmer, lange durften ihre Familien nicht in die Schweiz nachziehen. Andere europäische Staaten gewährten ihren Gastarbeitern in frühen internationalen Abkommen bessere Rechte.
Gewerkschaften reklamieren als erste
Schon seit den 50er-Jahren opponierten die Gewerkschaften gegen die Gastarbeiterzuwanderung. Bereits 1953 forderte ein SP-Nationalrat, neue ausländische Arbeitskräfte nicht mehr zuzulassen. 1962 verlangte der spätere SP-Bundesrat Willy Ritschard, dass die Zahl der anwesenden Ausländer zurückgehe. Und der Schweizerische Gewerkschaftsbund schlug eine jährliche Höchstzahl für zuwandernde Arbeiter vor.
Die Gewerkschaften argumentierten vor allem wirtschaftspolitisch gegen die steigende Zuwanderung: Man hatte Angst um Jobs der Schweizer, befürchtete, dass auch die Löhne nicht mehr steigen würden.
Unbegründete Angst
Die Angst der Gewerkschafter aber war unbegründet: Dank dem einmaligen Wirtschaftswachstum gab es damals jedes Jahr mehr Jobs, die Löhne stiegen wie nie mehr danach. Und viele Schweizer konnten ihre Stellung verbessern, weil Italiener ihre Arbeit übernahmen.
Doch Anfang der 60er-Jahre mischten immer mehr neue Gruppierungen von Rechts die Diskussion um die Ausländer auf, die Auseinandersetzung wurde gehässiger – während noch bis 1965 in manchen Jahren 100’000 Ausländer neu in die Schweiz einreisten. Der Bundesrat musste handeln.