Das Wichtigste in Kürze
- Im Kanton Bern darf ab August dieses Jahres ein Praktikum in einer Kindertagesstätte nur noch ein halbes Jahr dauern.
- Kleine private Kitas wehren sich dagegen : Ohne Praktikanten sei ihre Finanzierung gefährdet.
- Auch der Dachverband für Kinderbetreuung Kibesuisse fordert Subventionen , um die neue Regelung durchzusetzen.
- Der Präsident der Arbeitsmarktaufsicht des Kantons Bern nimmt die Kitas jedoch in die Pflicht: Die finanziellen Probleme der Kitas dürften nicht auf Kosten von Jugendlichen gelöst werden.
Ein Mädchen rührt in einer Kinderpfanne, daneben spielen vier Kinder mit Karten. Chantal Dutoit beschäftigte in ihrer kleinen Kindertagesstätte Memory jeweils eine Praktikantin für ein Jahr. Die Praktikantinnen verdienen 600 Franken im Monat.
Einige hätten danach bei ihr eine Ausbildung machen können, erzählt Dutoit. So auch Emire Osmani. Sie konnte die Lehre antreten, nachdem sie zwei Jahre als Praktikantin gearbeitet hatte. Ein Jahr war sie im Praktikum in der Kindertagesstätte Memory. Es sei schon hart gewesen, so lange zu einem Praktikumslohn angestellt zu sein und dieselbe Arbeit wie die andern zu erledigen, erzählt sie.
Zu hohe Kosten ohne Praktikanten
Im Kanton Bern wird es solche Fälle künftig kaum mehr geben: Praktika dürfen generell nur noch ein halbes Jahr dauern. Ausnahmen dürfen nur dann gemacht werden, wenn das Praktikum mit einer Garantie auf eine spätere Lehrstelle verbunden ist und wenn ein Lohn von mindestens 3000 Franken bezahlt wird.
3000 Franken seien zu viel für eine kleinere private Kindertagesstätte, sagt Chantal Dutoit. «Mit zwei Personen, die eine Lehre machen, fallen die Kosten zu hoch aus für eine so kleine Kinderkrippe. Wir sind auf mehr Unterstützung bei der Ausbildung von Lehrlingen angewiesen.» Mit mehr Unterstützung meint Chantal Dutoit Geld vom Staat.
Vorbild Westschweiz
Mit der Forderung nach Subventionen stösst Chantal Dutoit beim Dachverband für Kinderbetreuung auf offene Ohren. Bei der finanziellen Unterstützung handle es sich um eine Grundsatzfrage, sagt Nadine Hoch, Geschäftsleiterin von Kibesuisse.
Wenn man die Vereinbarkeit von Beruf und Erwerbstätigkeit wirklich ernsthaft fördern will, dann muss man auch Geld zur Verfügung stellen.
Vorbildlich sei diesbezüglich die Westschweiz: Dort bezahlen die öffentliche Hand und die Wirtschaft zwei Drittel der Kita Kosten. Eltern müssten noch für ein Drittel aufkommen. In der Deutschschweiz sei es genau umgekehrt. Auch ein Grund, warum bei den Lohnkosten derart gespart werde. Hier liege der Ball bei der Politik.
Leidtragende Jugendliche
Das möge so sein, sagt Jesus Fernandez, Präsident der Arbeitsmarktaufsicht des Kantons Bern. Eine Rechtfertigung für schlechte Anstellungsbedingungen für Jugendliche sei dies jedoch nicht.
Die finanziellen Probleme der Kitas dürfen auf keinen Fall auf Kosten der Jugendlichen, die eine Lehrstelle suchen, gelöst werden.
Für Emire Osmani aus der Kita Memory haben sich die zwei Jahre Praktikum schliesslich gelohnt. Sie hat ihre Ausbildung zur Fachfrau Betreuung abgeschlossen. Dass dies nicht selbstverständlich ist, hat Emire Osmani in ihrem eigenen Bekanntenkreis erfahren. Eine Kollegin arbeitete drei Jahre als Praktikantin in Kindertagesstätten. Danach hatte sie genug von den falschen Versprechungen. Heute arbeitet sie als ungelernte Arbeitskraft in einer Uhrenfabrik.