Herbert Winter ist in Zürich geboren, er lebt und arbeitet in der Stadt. Wenn man den 62-Jährigen heute fragt, geht er davon aus, dass er auch seinen Lebensabend in Zürich verbringen wird.
Zürich ist für den Präsidenten des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) Heimat. Eine Heimat, in er der sich auch im Jahr 2018 noch geborgen fühlt: «Ich persönlich fühle mich eigentlich sehr sicher.»
Attacken im Ausland beunruhigen Schweizer Juden
So wie ihm gehe es vielen Jüdinnen und Juden in der Schweiz, sagt Winter. Gleichzeitig gebe es auch Mitglieder, die sich zunehmend verängstigt fühlten – und Winter kann diese Emotionen nachvollziehen. «Ich verstehe, wenn sich Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft bei uns nicht mehr so sicher fühlen. Aufgrund dessen, was vor allem im Ausland passiert.»
Die Menschen überlegen sich zwei Mal, ob sie morgen in die Synagoge gehen oder ihre Kinder in die jüdische Schule schicken sollen.
Damit meint Winter unter anderem den jüngsten Anschlag auf eine Synagoge im amerikanischen Pittsburgh, bei welchem ein Antisemit vor wenigen Tagen elf Menschen erschossen hatte. Oder auch die regelmässigen Übergriffe auf Juden in Frankreich.
Solche Vorfälle hinterliessen Spuren, sagt Winter: «Solche Attacken verunsichern die Menschen. Sie überlegen sich zweimal, ob sie morgen in die Synagoge gehen oder ihre Kinder in die jüdische Schule schicken sollen.»
Generell sei die Gefahr von terroristischen Anschlägen in Europa in den letzten Jahren angestiegen, sagt Baschi Dürr, der Sicherheitsdirektor des Kantons Basel-Stadt: «In dieser erhöhten Gefahrenlage sind die jüdischen Gemeinden, die ohnehin einem grösseren Risiko ausgesetzt sind, entsprechend stärker bedroht.»
Mit der erhöhten Bedrohungslage steige das Bedürfnis nach mehr Sicherheit. Und dieses Bedürfnis stelle die jüdischen Gemeinden in der Schweiz vor grosse Herausforderungen, sagt SIG-Präsident Winter: «Sie haben alle sehr grosse Probleme, weil der Sicherheitskosten im Budget ein riesiger Posten sind. Dieses Geld würde man lieber für Sozial- und Jugendarbeit aufbringen.»
Stadt Basel beteiligt sich an Sicherheitskosten
In Basel beispielsweise ging der jüdischen Gemeinde das Geld aus, weil die Sicherheitskosten seit Jahren steigen. Vor wenigen Tagen entschied nun der Regierungsrat, vom Kantonsparlament mehr Geld für den Schutz der jüdischen Gemeinde zu beantragen.
Die Regierung will acht zusätzliche bewaffnete Sicherheitsassistenten anstellen, welche sich ausschliesslich um den Schutz der jüdischen Einrichtung in Basel kümmern. Kosten: Rund 750'000 Franken pro Jahr.
Basels historische Bindung zum Judentum
Für Dürr spielte bei dieser Entscheidung auch das historische Verhältnis der Juden und der Stadt Basel eine Rolle: «Das Judentum gehört seit Jahrhunderten zu Basel. Zudem wurde Israel quasi in Basel gegründet und ist sozusagen das ‹Rütli› der Israeli.»
Deswegen sei die Beziehung von Basel zur jüdischen Gemeinde eine besondere. Dass Bund oder Kantone die Juden bei der Finanzierung ihrer Sicherheitskosten unterstützen, das werde man in Zukunft wohl auch noch an anderen Orten sehen, sagt Herbert Winter. Diesen Sommer entschied der Bundesrat nämlich, künftig bei besonders gefährdeten Minderheiten einen Anteil der Sicherheitskosten zu übernehmen.