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«Das Schweizer Politsystem gefällt mir besser als das deutsche»
Aus Echo der Zeit vom 21.08.2022. Bild: Keystone
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98. Auslandschweizer-Kongress «Neutralität ist ein Privileg, das es zu bewahren gilt»

Demokratie und Neutralität waren bei den jungen Auslandschweizern und -schweizerinnen ein wichtiges Thema bei ihrem Treffen in Lugano. Was ist deren Position dazu?

Über 400 Personen aus 40 Ländern haben sich dieses Wochenende in Lugano zum 98. Auslandschweizer-Kongress getroffen. Sie alle repräsentieren die «fünfte Schweiz» mit fast 800'000 im Ausland lebenden Schweizerinnen und Schweizern.

In den Augen der jungen Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen ist die Schweiz schön – speziell die Natur. Schön und erstrebenswert ist für den 18-jährigen Kim Häfliger aus Deutschland auch das schweizerische System der direkten Demokratie. «Weil man tatsächlich einen grossen Einfluss hat und auch auf sehr viele Themen, mit den Initiativen zum Beispiel», so Häfliger. «Das System gefällt mir besser als in Deutschland.»

Unterschiedliche Meinungen zur Neutralitätspolitik

Wenn auch direkte Demokratie bedeutet, dass man sich als Bürger oder Bürgerin selber regelmässig bemühen muss um politische Geschäfte, was letztlich auch Arbeit ist, kommt dies bei den jungen Auslandsschweizern doch sehr gut an. Viel zu reden gab es auch über die Neutralität – gerade jetzt mit dem Krieg in der Ukraine. Wie im Inland gehen auch bei ihnen die Meinungen über die Neutralitätspolitik auseinander.

«An sich ist die Neutralität für mich ein sehr wichtiger Standpunkt, damit andere Länder zum Beispiel noch einen Verhandlungspartner haben», sagt dazu Kim Häfliger. «Wenn alle nur eine Seite einnehmen würden, hätten sie keinen Grund, miteinander zu verhandeln.» Die Schweiz müsse neutral sein, um als Brückenbauerin zwischen Konfliktparteien funktionieren zu können.

Neutralität kann sehr schwierig werden, wie wir in der gegenwärtigen Situation mit der Ukraine sehen.
Autor: James Woodham Grossbritannien

Der 15-jährige James Woodham aus Grossbritannien fragt sich, ob das überhaupt gehe, neutral zu sein bei ernsthaften Konflikten. «Neutralität kann sehr schwierig werden, wie wir in der gegenwärtigen Situation mit der Ukraine sehen», so Woodham. «Ich würde sagen, die Schweiz ist da nicht hundert Prozent neutral und ich finde das gut. Das bedeutet aber auch, dass das kritisiert wird.»

Entweder ganz oder gar nicht, meint dazu Luis Gostin. Der 27-jährige studierte Musiker aus Chile ist das erste Mal in der Schweiz. Er ist gehbehindert und freut sich darüber, wie umsichtig und hilfsbereit ihm in der Schweiz begegnet wird. Als Mitglied des Auslandschweizer-Jugendparlaments redet er von der Neutralität wie von einem Seiltanz. «Wo ist die Grenze zwischen neutral sein und nichts machen, und neutral sein und doch etwas helfen?», fragt sich Gostin. «Zweiteres ist für mich schon nicht mehr neutral.»

Für Jacqueline Siffer aus den USA ist es am Ende «mit der Neutralität ähnlich wie mit der direkten Demokratie: Ein Privileg, das es zu bewahren gilt. Aber das bedeutet auch viel Arbeit», sagt die 22-jährige Politikwissenschaftlerin aus New York. Sie ist Mitbegründerin des Auslandschweizer-Jugendparlaments.

Am Ende ist es mit der Neutralität ähnlich wie mit der direkten Demokratie. Sie ist ein Privileg, das es zu bewahren gilt, aber sie bedeutet auch viel Arbeit.
Autor: Jacqueline Siffer USA

Es brauche Anstrengungen, dass sich die junge Schweizer Bevölkerung aktiv an der Politik beteilige, sagt Siffer. Und es brauche auch Anstrengungen, um die schweizerische Neutralität weiterzuentwickeln. «Ich glaube, es geht darum, neutral sein zu können und dennoch Prinzipien zu haben, im Sinne von Werte zu haben», so Siffer. «Aber das ist einfacher gesagt als getan».

Viele der jungen Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer können sich vorstellen, selber einmal in der Schweiz zu leben. Dass es aber auch ihre Arbeit braucht, damit diese Schweiz fortbestehen kann, haben Sie am 98. Auslandschweizer-Kongress in Lugano erfahren.

Echo der Zeit, 21.08.2022, 18:00 Uhr ; 

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