Es gibt nicht viele Begriffe, die in den letzten 30 Jahren eine solche Karriere gemacht haben wie jener der Nachhaltigkeit. Seit der erstmaligen Definition in einem UNO-Bericht von 1987 avancierte die Nachhaltigkeit zu einem prägenden Konzept der Politik, auf globaler und nationaler Ebene sowie auch in Wirtschaft und Gesellschaft. Und auch Schweizer Kantone beschäftigen sich – mehr oder weniger intensiv – mit nachhaltiger Entwicklung.
Ein Kanton, der verhältnismässig viel investiert in die Verfolgung der nachhaltigen Entwicklung, ist der Aargau. Der viertgrösste Kanton der Schweiz verfasst seit 2005 Berichte, in denen diverse Indikatoren aus den Bereichen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft erhoben, interpretiert und kommentiert werden. «Es geht dabei auch um Transparenz des staatlichen Handelns gegenüber Wirtschaft und Bevölkerung», erklärt der zuständige Aargauer Regierungsrat Stephan Attiger. Es solle klar sein, wo Politik und Verwaltung nachhaltig arbeiten und wo nicht.
Im fünften Bericht, der Ende Februar publiziert wurde, fokussiert der Aargau nun als erster Kanton auf die UNO-Agenda 2030. In diesem neuen Referenzrahmen werden 17 Ziele und 169 Unterziele beschrieben, anhand derer die Nachhaltigkeit beurteilt wird.
«Diese neuen Ziele haben stark integrativen Charakter, das ist ein grosser Mehrwert», erklärt Corinne Schmidlin, Leiterin der Aargauer Fachstelle Nachhaltigkeit, den Nutzen der Agenda 2030 für das Nachhaltigkeitsreporting. Man sehe sehr konkret, wo man in der Entwicklung stehe, ob es zum Beispiel in einem bestimmten Umwelt-, Wirtschafts- oder Gesellschaftsbereich noch Handlungsbedarf gebe.
Zwiespältige Resultate
Mit den Analysen, die durch die jahrelange Berichterstattung entstanden sind, lassen sich im Aargau einige positive und auch negative Entwicklungen in puncto Nachhaltigkeit aufzeigen.
Es sei zwar schwer, einzelne Resultate herauszugreifen, sagt die Aargauer Nachhaltigkeitsexpertin Corinne Schmidlin. Einen positiven Punkt sieht sie aber sicher bei der Überbauung von Kulturland. In den letzten Jahren sei es gelungen, das Bevölkerungswachstum von der Bautätigkeit abzukoppeln. Es wird, gemessen an der Zunahme der Wohnbevölkerung, weniger Land überbaut.
Auf der eher negativen Seite stehe die Wirtschaftsleistung, sagt Schmidlin. Auch diese sei eine gleichwertige Dimension der Nachhaltigkeit. Der Aargau habe im schweizweiten Vergleich nach wie vor ein unterdurchschnittliches Bruttoinlandprodukt (BIP). Hier zeige der neueste Bericht, dass es kaum Veränderungen gegeben hat.
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In der Gesamtbilanz kommen die Autorinnen des Nachhaltigkeitsberichtes zum Schluss, dass es zwar Fortschritte gegeben habe, dass die Herausforderungen aber nach wie vor gross seien und zwar in allen drei Dimensionen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft – das schafft auch Konflikte.
Gerade die anspruchsvolle Klimapolitik der kommenden Jahre zeigt, dass sich die Nachhaltigkeitsziele zum Teil widersprechen: Wirtschaftswachstum und Umweltschutz passen nicht immer gut zusammen. «Die Klärung solcher Widersprüche ist am Schluss Sache der Politik», sagt Regierungsrat Stephan Attiger. Im politischen Entscheidungsprozess erfolge die Gewichtung, welches Nachhaltigkeitsziel bei einem konkreten Projekt höher zu gewichten sei als ein anderes.