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Aargauer Polizei Hätte ein Taser den tödlichen Polizeieinsatz in Suhr verhindert?

In Suhr AG verletze ein Polizist einen Mann tödlich. Ein Bericht gibt jetzt Einsicht in den Ablauf.

Es war ein Polizeieinsatz, der hohe Wellen schlug: Im November 2020 feuerte ein Polizist in Suhr AG bei einem Einsatz fünf Schüsse ab. Ein Mann wurde getötet. Der Kanton Aargau hat in der Folge die Staatsanwaltschaft Luzern mit der Untersuchung des Falles beauftragt.

Diese stellte das Verfahren gegen den Polizisten wegen vorsätzlicher Tötung im Frühling dieses Jahres ein. Nun hat SRF Einblick in den Bericht erhalten. Dieser zeigt, was im November 2020 passiert ist.

Patrouillen warteten auf Spezialeinheit

Die Kantonspolizei Aargau erhält an jenem Tag eine Meldung, dass ein 68-jähriger Mann mit Suizid droht. Er ist mit einem Sackmesser bewaffnet. Vor Ort versuchen die ausgerückten Patrouillen den Mann zu beruhigen. Doch die Deeskalation gestaltet sich schwierig, der Mann bedroht auch die Polizisten.

Trotzdem scheint die Situation zunächst unter Kontrolle zu sein: Der Mann steht auf der Wiese vor seinem Mehrfamilienhaus und ist umstellt. Die Polizisten warten auf Verstärkung und versuchen, Zeit zu gewinnen. Die Sondereinheit Argus ist unterwegs und sie ist – im Gegensatz zur Kantons- und Regionalpolizei – mit Elektroschockwaffen ausgerüstet.

Polizisten stehen vor einem weissen Sichtschutzzelt.
Legende: Der 68-Jährige starb an den Schussverletzungen. SRF

Plötzlich rennt der Mann in ein Gebüsch. Die Einsatzkräfte folgen ihm, der 68-Jährige springt daraufhin unvermittelt aus dem Gebüsch hervor und geht mit dem Messer auf einen Polizisten los. Dieser schiesst mit seiner Dienstwaffe: Er drückt innerhalb von 1.5 Sekunden fünfmal ab, bis der Angreifer zu Boden geht.

Polizist handelte aus Notwehr

Wie im Bericht zu lesen ist, gibt es von der Tat eine 3D-Rekonstruktion. Diese basiert auf einer wackligen Video-Aufnahme einer Nachbarin. Die Staatsanwaltschaft Luzern kommt zum Schluss: Der Polizist hat aus Notwehr und richtig gehandelt. Mit einem Pfefferspray oder einem Schlagstock hätte man in dieser Situation nicht viel ausrichten können.

Ein Polizist demonstriert einen Taser.
Legende: Ein Beamter der Kantonspolizei St. Gallen demonstriert einen Taser. Keystone/Gian Ehrenzeller

Der Bericht legt aber auch den Schluss nahe, die Geschehnisse hätten auch anders ablaufen können: zu jenem Zeitpunkt auf der Wiese, als der Mann umstellt war und die Polizisten auf Verstärkung warteten. Mit einer Elektroschockwaffe hätte der Mann da mit grösster Wahrscheinlichkeit ausser Gefecht gesetzt und überwältigt werden können.

Damals führten Aargauer Polizisten aber keinen Taser mit. Das ist inzwischen anders: Die Polizei hat dieses Jahr 430 Taser angeschafft; seit Kurzem sind alle Patrouillen auf Streife mit einer Elektroschockwaffe ausgerüstet.

Mehrere Kantone rüsten auf

Der «Fall Suhr» habe zu dieser Anschaffung beigetragen, wie Kapo-Sprecher Bernhard Graser sagt. Sei aber nicht alleiniger Auslöser gewesen. «Wir haben immer mehr mit Menschen zu tun, die psychisch labil und in einem aggressiven und unberechenbaren Zustand sind.» Dan sei ein Taser das geeignete Mittel, um gefährliche Situationen zu entschärfen, ohne dass jemand ernsthaft verletzt werde.

Auch andere Kantone rüsten auf: Die Kantone Schwyz, Solothurn und Zürich bauen ihren Taserbestand aus. In St. Gallen sind die Hälfte aller Polizistinnen und Polizisten an der Front mit einem Taser ausgestattet, in Bern hat jede Patrouille ein Gerät dabei. In Nidwalden sind bereits seit Längerem alle Polizistinnen und Polizisten mit Tasern unterwegs.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 20.12.2024, 06.30 Uhr ; 

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