Er war das Gesicht der Coronakrise: Daniel Koch, zuletzt Delegierter des Bundesamts für Gesundheit (BAG) für Covid-19. Dabei an allen Medienkonferenzen des Bundesrats seit Beginn der Pandemie, zusätzlich an 21 Medienkonferenzen auf Fachebene, stets ruhig, überlegt und besonnen. Dabei wäre Daniel Koch seit Mitte April pensioniert gewesen. Nun ist es, mit ein paar Wochen Verspätung, so weit: «Mr. Corona» geht endgültig in den Ruhestand. Im Interview spricht Koch über seine Popularität, Kritik, Zweifel und den Zeitpunkt seines Rücktritts.
SRF News: Herr Koch, wie ist es eigentlich, wenn einem über Wochen die ganze Schweizer Bevölkerung an den Lippen klebt, um zu erfahren, was man darf und was nicht?
Daniel Koch: Es war sicher eine sehr spezielle Zeit. Ich bin mir natürlich bewusst, dass die Leute sehr oft und viel zugehört und zugeschaut haben. Ich bin froh, dass die Bevölkerung in der Schweiz auch so gut mitgemacht hat.
Sie wurden eine Art Star – sehr populär auf jeden Fall. Es gibt sogar T-Shirts, wo Zitate von Ihnen aufgedruckt sind. Wie gehen sie damit um?
Nein, ein Star bin ich nicht. Aber ich bin jetzt sehr bekannt. Plötzlich so bekannt zu werden, ist schon etwas gewöhnungsbedürftig.
Eine Zeitung hat über Sie geschrieben: «Was Herr Koch sagt, das gilt.» Aber es gibt auch viele, die Mühe haben, im ÖV Masken zu tragen. Und das hat auch mit Ihnen zu tun. Diese Leute haben nämlich immer noch Ihre Aussage im Ohr, dass das Maskentragen eigentlich gar nichts bringe.
Wir haben versucht, das mit den Masken sehr differenziert zu erklären. Vielleicht gelang uns das nicht richtig.
Es wäre nicht gut, wenn man nicht zwischendurch hinterfragen würde, was man sagt und macht.
Es gab auch Momente, da wurden Sie kritisiert. Zum Beispiel, als Sie sagten, Kinder seien nicht Treiber dieser Epidemie. Sie sagten auch klar, Grosseltern müssten keine Angst haben, mit den Enkeln zusammen zu sein. Da schüttelten Virologen auf der ganzen Welt den Kopf. Hatten Sie nie Zweifel?
Man hat immer Zweifel. Es wäre nicht gut, wenn man nicht zwischendurch hinterfragen würde, was man sagt und macht. Aber: Ich bin nicht Virologe, ich bin ein Mann der öffentlichen Gesundheit und habe eine gewisse Erfahrung. Und ich habe mich natürlich abgesprochen mit jenen Spezialisten, denen ich glaube. Das waren vor allem Kinderärzte. Wir waren absolut überzeugt, dass das, was ich damals sagte, richtig war. Und dass es für die Grosseltern wichtig war, dass sie diesen Körperkontakt wieder aufnehmen konnten.
Sie sagten lange, man müsse die Schulen nicht schliessen. Die Schulen wurden dann trotzdem geschlossen. War das ein Fehler?
Aus epidemiologischer Sicht hätte man die Schulen nicht schliessen müssen. Aber es war insofern kein Fehler, als die Schulschliessung der Bevölkerung definitiv bewusst machte: «Jetzt braucht es grosse Anstrengungen. Das ist jetzt eine ganz spezielle Situation.» In diesem Sinne war es absolut richtig.
Wenn die Entwicklung nicht so positiv gewesen wäre und man mir gesagt hätte, ich solle weitermachen, hätte ich das sicher getan.
Die Ansteckungszahlen sind aktuell sehr tief. Wenn die Zahlen nicht so tief wären, hätten Sie dann weitergemacht?
Das ist eine ganz schwierige Frage. Es sind nicht nur die Zahlen, die etwas aussagen. Auch die Entwicklung, und die ist jetzt schon seit Wochen sehr positiv. Wenn die Entwicklung nicht so positiv gewesen wäre und man mir gesagt hätte, ich solle weitermachen, hätte ich das sicher getan.
Wenn es zu einer zweiten Welle kommt, kommt Herr Koch dann wieder zurück?
Das hängt sicher nicht von mir ab. Und ich glaube nicht, dass es eine gute Idee wäre. Aber ich kann so wenig in die Zukunft schauen wie alle anderen auch. Ich bin kein Prophet. Ich probiere, die Situation von Tag zu Tag zu beurteilen.
Ab morgen haben Sie frei. Was machen Sie?
Ich werde sicher etwas mehr Sport machen. Aber unterbeschäftigt werde ich kaum sein. Ich werde sicher ein paar Vorträge halten. Und ich werde mich auch etwas erholen.
Das Gespräch führte Gion-Duri Vincenz.