Rund ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten in der Schweiz sind gefährdet – es steht gemäss Fachleuten schlecht um die Biodiversität. Der Nationalrat will die Vielfalt der Natur besser schützen, und zwar mit einem Gegenvorschlag zur Biodiversitäts-Initiative, die von verschiedenen Umweltverbänden eingereicht worden ist.
Nationalrätin (SP/FR) und Pro-Natura-Präsidentin Ursula Schneider Schüttel, eine der Promotorinnen der Initiative, spricht im Interview zum Tag über fehlende Schmetterlinge im Garten und die Gründe für die mangelhafte Biodiversität.
SRF News: Es steht schlecht um die Biodiversität. Woran merkt man das im Alltag?
Ursula Schneider Schüttel: Das deutlichste Beispiel sind die Insekten: Wenn man früher Auto gefahren ist, hatte man nach einem Ausflug die Windschutzscheibe voller Insekten. Man merkt es vielleicht auch im Garten, wo es an Schmetterlingen fehlt, die man im Kindesalter noch gesehen hat.
In einer Umfrage haben fast 60 Prozent der Befragten gesagt, die Biodiversität in der Schweiz sei gut.
Es ist halt schön und grün in der Schweiz. Aber grüne Hügel und Wiesen bedeuten noch nicht, dass es um die Artenvielfalt gut bestellt ist. Die Lebensräume in der Natur wurden immer mehr zurückgedrängt durch die Bautätigkeit, durch Eisenbahnlinien, Flugplätze oder Autobahnen, aber auch durch die Landwirtschaft, die ebenfalls zu einem Rückgang der Biodiversität geführt hat.
Grüne Hügel und grüne Wiesen bedeuten noch nicht, dass es um die Artenvielfalt gut bestellt ist.
Im Nationalrat ging es am Dienstag um einen Gegenvorschlag des Bundesrats, der mit einer gewichtigen Änderung angenommen worden ist. Es soll nicht eine bestimmte Fläche, sondern ein qualitatives Ziel vorgegeben werden. Was heisst das?
Der Minderheitsvorschlag, der durchgekommen ist, will Biodiversitätsgebiete von nationaler Bedeutung festlegen. Diese sollen nicht nur flächenmässig bestimmt werden, sondern auch qualitative Merkmale aufweisen. Es gibt zum Beispiel Schmetterlingsarten, die auf einen bestimmten Standort und auf bestimmte Pflanzen in dieser Umgebung angewiesen sind. Wenn diese Pflanzen fehlen, hat auch der Schmetterling keinen Lebensraum mehr.
Auch wenn das Ziel von 17 Prozent nicht mehr im Vorschlag drin ist: Es braucht für die Biodiversität mehr Naturflächen und das bedeutet weniger Fläche für Landwirtschaft und für Bauzonen.
Das heisst es nicht automatisch. Die Landwirtschaft kann auch in Biodiversitätsgebieten stattfinden. Die sind sogar darauf angewiesen, dass eine landwirtschaftliche Tätigkeit stattfindet.
Aber wird Bauen dann nicht mehr möglich sein in solchen Gebieten?
Dann kommt es darauf an, wie man baut. Wenn es etwa darum geht, Anlagen für erneuerbare Energien zu erstellen, müsste man schauen, was man genau schützen will in diesem Gebiet, und wie man es schützen kann.
Die geringe Biodiversität in der Schweiz hat auch mit der starken Bautätigkeit zu tun. Dann müsste man, wie die SVP am Dienstag gesagt hat, auch über die Zuwanderung nachdenken?
Das wäre der falsche Ansatz, wenn man sagt, die Zuwanderung ist schuld. Wir müssen den Siedlungsraum besser gestalten. Wir haben das auch in diesem Hitzesommer gemerkt: Wo es Bäume hat, ist es kühler, und Bäume sorgen auch für Vielfalt.
Das wäre der falsche Ansatz, wenn man sagt, die Zuwanderung ist schuld. Wir müssen den Siedlungsraum besser gestalten.
Was können wir dafür tun, dass die Biodiversität besser wird?
Wir können im Garten, sogar auf dem Balkon, mit einem Kistchen mit blühenden Pflanzen dafür sorgen, dass wir den Insekten Nahrung zur Verfügung stellen. Wir können auch dafür sorgen, dass wir im Garten keine Pestizide einsetzen, weil diese ebenfalls Lebewesen abtöten können.
Das Gespräch führte Urs Leuthard.