- Das Stimmvolk lehnt den Ausbau von sechs Autobahn-Teilstücken mit 52 Prozent ab.
- Umweltverbände und linke Parteien sehen ihre Ansichten bestätigt, bürgerliche Parteien und Wirtschaftsverbände bedauern eine verpasste Chance.
Zerknirscht reagiert Nationalrat Thomas Hurter (SVP/SH). «Der Ausgang ist knapp, aber wir respektieren das Resultat natürlich», so der Parteikollege von Verkehrsminister Albert Rösti, der an vorderster Front für die Vorlage gekämpft hat. «Das Nein bedeutet, dass in den betreffenden Regionen die Verkehrsprojekte der nächsten 10, 15 Jahre blockiert sind.» Auch SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner ist enttäuscht. Es handle sich um eine Ohrfeige für jene Leute, die in der Schweiz Wertschöpfung produzierten.
Für FDP-Präsident Thierry Burkart ist es ein herber Schlag. Auf der Nationalstrasse gebe es jährlich 48'000 Stunden Stau, mahnt der Aargauer. Die Autobahnen nicht wie geplant auszubauen, werde dazu führen, dass der Verkehr in die Dörfer und Städte ausweiche. «Das kann nicht das Ziel sein», sagt der FDP-Ständerat.
«Ich hätte ein solches Ergebnis nicht erwartet. Das muss ich ehrlich sagen. Vor einigen Jahren hätten wir eine solche Abstimmung locker gewonnen», so Ständerat Fabio Regazzi (Mitte/TI). Es sei möglich, dass es einen gewissen Wandel in der Gesellschaft gegeben habe. Trotzdem seien die vielen Staustunden für die Wirtschaft ein Problem. «Ich habe Mühe, nachzuvollziehen, wieso das nicht verstanden wurde.»
Auf der anderen Seite, bei den Gegnerinnen und Gegnern des Ausbaus, berichtet SRF-Inlandredaktor Tobias Gasser von Jubel, ja sogar Freundtränen.
Obwohl Nationalrat Beat Flach (GLP/AG) zunächst offenbar «nur ganz leise mitgejubelt» hat, ist er ebenfalls sehr zufrieden. Der Aargauer betont, dass man einen sachlichen und faktenbasierten Wahlkampf geführt habe. «Die Menschen haben gemerkt, dass man Mobilitätsprobleme nicht einfach nur mit mehr Strassen lösen kann.» Es brauche andere Lösungen, um die komplexen Herausforderungen zu meistern. Konkret: Mehr Möglichkeiten für das Pendeln mit dem öffentlichen Verkehr, Carsharing oder ganz simpel den verstärkten Einsatz des Velos, das nicht nur ein Freizeitvehikel sei.
Die Grünen sehen im Nein einen historischen Erfolg für die Verkehrswende. Der Bundesrat stehe nun in der Verantwortung: «Der heutige Tag läutet die Verkehrswende in der Schweiz ein. Die Bevölkerung hat der rückwärtsgewandten Verkehrspolitik des Bundesrates eine Absage erteilt», so die Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone in einer Mitteilung.
Mattea Meyer, SP-Co-Präsidentin, freut sich darüber, dass der Ausbau der Autobahnen abgelehnt wurde. Sie interpretiert dieses Resultat grundsätzlich als Zeichen, dass der bürgerlich dominierte Bundesrat sich zu wenig um das kümmere, was die Bevölkerung wolle. Meyer sagt: «Ich hoffe sehr, dass Albert Rösti in Zukunft im Sinne der Bevölkerung Politik macht und den öffentlichen Verkehr und den Langsamverkehr ausbaut und Agglomerationsprojekte fördert, die den Menschen zugutekommen und nicht dem Klima schaden.»
Gegner- und Befürworterinnen-Seite ziehen nach dem Nein zum Autobahnausbau nun verschiedene Schlüsse. So beispielsweise bei der Mineralölsteuer: Die SVP fordert eine sofortige Senkung der Verbrauchssteuer. Auf der anderen Seite fordert der ehemalige Grünen-Präsident Balthasar Glättli, die Einnahmen der Steuer für den Klimaschutz einzusetzen.