Ein Volk von Autofahrenden sagt Nein zum Autobahnausbau. Was ist da passiert? Zu Beginn des Abstimmungskampfes schien es ein Leichtes für die Befürwortenden, diese Abstimmung zu gewinnen. Sie konnten auch auf das Engagement von SVP-Bundesrat Albert Rösti zählen. Doch dann wurden sie ausgebremst. Warum?
Randregionen sagen deutlich Nein
Es ist wenig überraschend, dass die tendenziell eher linke Bevölkerung in den Städten dem Autobahnausbau kritisch gegenüber eingestellt ist. Umso überraschender ist der Meinungsumschwung auf dem Land. In der ersten GFS-Umfrage zeigte sich dort noch eine Ja-Mehrheit. In der zweiten Umfrage waren dann plötzlich die Gegner in der Mehrheit – obwohl gerade dort viele auf das Auto angewiesen sind.
Doch vom Ausbau profitiert hätten vor allem die Menschen in den Agglomerationen grosser Zentren. Ein Bewohner eines Bündner Bergtals wäre wohl selten durch einen neuen Tunnel in Basel gefahren. So haben die Randregionen deutlich Nein gesagt; beispielsweise Graubünden, Tessin und das Wallis. Auch in der Westschweiz dominierte die Ablehnung.
Auf dem Land dürfte auch die Solidarität mit Landwirtinnen und Landwirten gespielt haben, die wegen des Ausbaus Kulturland verloren hätten. Die Gegnerschaft warnte im Abstimmungskampf immer wieder davor, dass Flächen und Landwirtschaftszonen dem Ausbau geopfert und damit zerstört würden.
Spielte Zuwanderung ebenfalls eine Rolle?
Und nicht zuletzt geisterte das Schreckgespenst von höheren Benzinpreisen durch den Abstimmungskampf. Obwohl Verkehrsminister Albert Rösti mehrmals beteuerte, im Fonds für den Strassenunterhalt sei genügend Geld für diese Ausbauten, fand die Gegnerschaft dort erfolgreich eine Angriffsfläche. Die Angst vor höheren Benzinpreisen kann Abstimmungen scheitern lassen, das zeigte zuletzt das Nein zum CO₂-Gesetz.
Dass Autobahn-Ausbauprojekte bei der Bevölkerung nicht nur für Begeisterung sorgen, ist auch keine Premiere. Beispielsweise sind auf kantonaler Ebene in den letzten Jahren Projekte gescheitert: So etwa beim Westast in Biel, den eine Bürgerbewegung zu Fall gebracht hat.
Auch die Zuwanderungskritik könnte eine Rolle gespielt haben. Sollen wirklich immer mehr Strassen für immer mehr Menschen gebaut werden? Das dürften sich Menschen gefragt haben, die der Zuwanderung kritisch gegenüberstehen.
Bürgerlichen weht verkehrspolitischer Gegenwind ins Gesicht
Ob das Nein zu den sechs Projekten wirklich eine Wende in der Verkehrspolitik bedeutet, wie die Gewinner heute jubeln, wird sich zeigen. Klar ist: Den Bürgerlichen weht verkehrspolitischer Gegenwind ins Gesicht, weitere Ausbauprojekte dürften von Links bekämpft werden. Wie zum Beispiel der Ausbau der A1 zwischen Bern und Zürich auf 6 Spuren, den das Parlament bereits beschlossen hat.
Die Gewinner fordern zudem, dass mehr Geld in den öffentlichen Verkehr investiert wird. Ob das Nein der Bevölkerung vor allem ein Nein gegen die vorliegenden sechs Autobahnprojekte war, oder ein Ja zu mehr öffentlichem Verkehr, wird sich in weiteren Abstimmungen zeigen müssen.