Das Landgut Gehrenhof in Erlenbach an der Zürcher Goldküste ist eine wahre Idylle. Eine über 100-jährige Villa thront hier direkt am See – mit Bootshaus, riesigem Garten und fantastischer Aussicht. Das millionenschwere Privatgrundstück gehört der Familie von Martin Bidermann. Doch diese Idylle sieht er bedroht – von einem Uferweg für die Öffentlichkeit: «Die schlechteste Variante wäre, wenn dieser Seeweg direkt hier durch den Garten führen würde», sagt Bidermann in der «Rundschau».
Unnötig oder überfällig?
Am 3. März stimmt der Kanton Zürich über einen solchen durchgängigen Uferweg ab. Für die Initiantin und ehemalige SP-Kantonsrätin Julia Gerber Rüegg ist klar: «Die Gewässer sind öffentlich und dazu gehört eben auch das Ufer des Zürichsees.» Für sie ist die Initiative der Höhepunkt in einem jahrzehntelangen Kampf für öffentliche Ufer an Gewässern.
Für Seeanstösser Martin Bidermann und seine Familie hingegen ist der Uferweg schlicht unnötig. «Die Leute würden uns und die Natur hier massiv stören.» Es gebe bereits genügend Seezugänge für alle. Sein Seeufer sei ein Schutzort für Tiere. Ein Uferweg würde sie vertreiben, behauptet Bidermann. Die ehemalige SP-Politikerin Julia Gerber Rüegg kontert: «Unsere Initiative hilft der Natur und schützt sie.»
Über weite Strecken ist der Uferweg bereits gebaut. Bei rund einem Viertel des Ufers fehlt der Weg, meist wegen Privatgrundstücken. Der durchgängige Uferweg soll gemäss Initiativtext bis 2050 fertiggestellt sein.
Seit über 40 Jahren geplant
Doch die Umsetzung ist schwierig, das zeigt ein Blick in den Kanton Bern. Dort stimmte die Bevölkerung 1982 für ein Gesetz, das den freien Zugang zu Flüssen und Seen ermöglicht. Vielerorts ist das Ufer aber noch heute Privateigentümern vorbehalten. In Hilterfingen am Thunersee ist ein Weg am Seeufer beispielsweise seit Jahrzehnten geplant, doch die Realisierung lässt weiter auf sich warten.
In Oberried am Brienzersee ist der Uferweg bereits gebaut. Wenzel Sternthal muss seit 15 Jahren den Seezugang mit der Öffentlichkeit teilen. Der pensionierte Dorfarzt wohnt in einem Haus direkt am See. Vor dem Bau des Uferwegs war die Sorge gross: «Man dachte sich das Schlimmste.» Doch heute ist Wenzel Sternthal zufrieden. «Es war keine einfache Geschichte. Aber wir geniessen es so, wie es ist. Der Weg gehört zu Oberried», sagt er.
Solche versöhnlichen Töne sind an der Zürcher Goldküste bei den Villenbesitzern nicht zu hören. Martin Bidermann ist bereit, für sein Eigentum zu kämpfen. «Ich würde bei der Annahme der Initiative die Anwälte einschalten.»