Klares Ja zum Anti-Diskriminierungsgesetz und eine deutliche Absage an die Mietwohnungsinitiative: Der erste Abstimmungssonntag des Jahres verlief ohne Überraschungen. Trotzdem entwickelte sich eine hitzige Diskussion. Zu reden gab vor allem die Mietwohnungs-Initiative.
Denn diese, waren sich die Parteichefs einig, traf einen Nerv in der Bevölkerung. Zumindest in den grossen Städten. SP-Vizepräsident Beat Jans kritisierte die Bürgerlichen scharf. Diese ignorierten das wichtigste Problem des Mittelstandes, nämlich die exorbitanten Mieten in den Städten. «Das Problem ist gewaltig. Es brennt.»
Nicht alles, was in Genf ein Problem ist, ist auch ein Problem im Appenzell.
CVP-Präsident Gerhard Pfister wollte sich den Vorwurf nicht gefallen lassen. Es sei das Recht der Landbevölkerung, Nein zu sagen: «Bei ihr besteht dieses Problem nicht.» Die Initiative sei völlig untauglich: Man wolle eine Kompetenz der Gemeinden und Kantone nach Bern verlagern. Pfisters Diagnose: «Nicht alles, was in Genf ein Problem ist, ist auch ein Problem im Appenzell.»
Gegen starre Quoten
FDP-Präsidentin Petra Gössi sekundierte: Von Bundesbern befehligte Quoten für gemeinnützige Wohnungen seien der Stolperstein der Initiative gewesen, zumal Städte wie Zürich weit über der Quote liegen würden – während Quoten auf dem Land sinnbefreit seien.
SVP-Chef Albert Rösti verwahrte sich vor «Panikmache» – und leitete den nächsten Abstimmungskampf ein. Wer die hohen Mieten anprangere, müsse das eigentliche Problem ins Visier nehmen: Die Zuwanderung und das Bevölkerungswachstum. Röstis Lösung: Die Begrenzungsinitiative der SVP.
Der Bund müsse gemäss Verfassung für günstigen Wohnraum sorgen, konterte Jans: «Diesen Auftrag hat er in den letzten Jahren nicht erfüllt.» Daran würden auch die 250 Millionen nichts ändern, die in den Wohnbau-Fond des Bundes fliessen.
Bei der zweiten Abstimmungsvorlage beruhigte sich die Tonlage. Das klare Ja zum Anti-Diskriminierungs-Gesetz fand breite Zustimmung. Bis auf eine Ausnahme: Die SVP stellte sich als einzige Bundesratspartei gegen das Ansinnen – es tat sich ein «Rösti»-Graben in der Runde auf.
Wenn ich Anträge sehe, in Schulen WCs für eine dritte Geschlechterkategoire zu schaffen, habe ich das Gefühl, es geht uns bald zu gut in diesem Land.
Die Junge SVP spricht von «Gesinnungsterror», der Präsident der Mutterpartei drückte es gemässigter aus. Rösti warnte davor, dass künftig am Stammtisch jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden müsse. Die Justiz sei aufgerufen, mit Augenmass vorzugehen und keine politischen Urteile zu fällen.
Doch ist die Erweiterung des Gesetzesartikels mehr als Symbolik? Für FDP-Präsidentin Gössi ist durch den Abstimmungskampf die Sensibilität für das Thema gewachsen.
Kann das Votum als Fingerzeig für eine progressivere Gesellschaft gewertet werden – auch mit Blick auf die «Ehe für alle»? «Das Resultat ist der Nachvollzug einer sich verändernden Realität – das könnte auch bei der ‹Ehe für alle› so sein», so CVP-Chef Pfister. Das Ergebnis zeige aber zuallererst, dass die Bevölkerung Aufrufe zu Hass und Gewalt nicht toleriere.
Erweiterung auf Transgender?
Zum Schluss stellte SP-Vize Jans den Burgfrieden mit den Bürgerlichen wieder her: «Das war heute tatsächlich ein Zeichen für mehr Respekt und Toleranz.» Jans plädierte dafür, nun auch Transmenschen in den Passus aufzunehmen.
SVP-Präsident Rösti konnte dem wenig abgewinnen. «Wenn ich wie in der Stadt Bern Anträge sehe, in Schulen WCs für eine dritte Geschlechterkategoire zu schaffen, habe ich das Gefühl, es geht uns bald zu gut in diesem Land.» Man solle sich lieber um die wahren Probleme kümmern.