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Nachhaltigkeitsziele Was wären die Konsequenzen der Umweltverantwortungsinitiative?

Die Initiative für Umweltverantwortung kommt am 9. Februar zur Abstimmung. Über die Auswirkungen sind sich nicht alle einig.

Die Umweltverantwortungsinitiative verlangt, dass die Schweiz die sogenannten planetaren Grenzen einhalten soll. Die Schweiz soll also nur so viele Ressourcen verbrauchen, wie ihr gemessen am Bevölkerungsanteil zustehen, und nur so viele Schadstoffe ausstossen, wie die Erde verkraften kann. In zehn Jahren sollen die Vorgaben umgesetzt sein. Bürgerliche Parteien und Wirtschaftsverbände warnen: Die Initiative gefährde unseren Wohlstand.

Utopie aus Büchern

Die Schweiz müsste ihre gesamte Umweltbelastung um etwa zwei Drittel reduzieren, um die planetaren Grenzen einzuhalten. Zu diesem Schluss kommt der Bund aufgrund einer Studie. Die Treibhausgasemissionen müssen gar um fast 90 Prozent gesenkt werden.

Dieses Ziel innert zehn Jahren zu erreichen, das gehe trotz technischem Fortschritt nicht, ohne die Wirtschaft zurückzufahren, sagt Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz: «Gleichzeitig soll die Wirtschaft sozialverträglicher werden. Das Geld wäre gar nicht da, um das zu finanzieren.» Dieses alternative Wirtschaftssystem, das die Initiantinnen und Initianten anstreben, das existiere nur als Utopie in Büchern.

Menschenmenge bei Umweltkundgebung mit Bannern.
Legende: Im Februar 2023 haben die Jungen Grünen die Umweltverantwortungsinitiative eingereicht. Keystone/Peter Schneider

Aufbruchstimmung

Beat Bürgenmeier, emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Genf, glaubt anderseits an einen positiven Effekt der Initiative. Es sei die ganze Gesellschaft gefragt, um die Herausforderungen in Bezug auf die Umwelt anzupacken: «Da braucht es etwas Aufbruchstimmung und Pioniergeist, der in dieser verängstigten Welt zurzeit in der Schweiz besonders fehlt.»

Er ist überzeugt, dass ein Ja zur Initiative einen Innovationsschub auslösen würde. Andernorts sei man weiter als die Schweiz mit Investitionsprogrammen für mehr Nachhaltigkeit: Bürgenmeier nennt den Inflation Reduction Act in den USA und den Green Deal in der EU. Zudem gehe er nicht davon aus, dass die Initiative rigoros umgesetzt würde. Auch er glaubt nicht, dass die planetaren Grenzen in zehn Jahren eingehalten werden können: Aber es müsse schneller gehen.

Ziele statt Massnahmen

Das findet eigentlich auch Ralph Winkler, Professor für Umweltökonomie an der Universität Bern. Er begrüsst grundsätzlich das Ziel, die planetaren Grenzen einzuhalten.

Doch in der Umweltverantwortungsinitiative sieht er keine Lösung: «Der Schutz der Natur und die Verantwortung für nachkommende Generationen stehen schon in der Bundesverfassung und trotzdem sind wir nicht in der Lage, es umzusetzen. Ich glaube nicht, dass wir das nochmal neu formulieren müssen.» Stattdessen brauche es konkrete Massnahmen. Und hierzu sage die Initiative leider nichts.

Das sind die planetaren Grenzen

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Diagramm zu planetaren Grenzen mit verschiedenen Umweltfaktoren.
Legende: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, 31.05.21

Das Konzept der planetaren Grenzen wurde 2009 von einer Forschungsgruppe rund um den schwedischen Nachhaltigkeitsforscher Johan Rockström entwickelt. Es setzt Grenzen fest für die Belastung, die unsere Umwelt verkraften kann und umfasst neun Bereiche.

Wachstum und Nachhaltigkeit

Laut Ralph Winkler braucht es auf dem Weg hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft denn auch keinen Umsturz des Wirtschaftssystems: Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit würden sich nicht ausschliessen: «Es gibt viele Anzeichen dafür, dass die Kosten einer strikten Klimapolitik massiv überschätzt werden und Klimaschutz letztlich nicht auf Kosten von Wohlstand und Wachstum gehen muss.»

Setzt die Umweltverantwortungsinitiative also ein inhaltsleeres Ziel ohne konkrete Auswirkungen? Wäre sie ein Anreiz für mehr Nachhaltigkeit? Oder gefährdet sie unseren Wohlstand? Die Antwort hängt wesentlich von der Art und Weise ab, wie die Initiative umgesetzt würde.

Echo der Zeit, 21.01.2025, 18:00 Uhr

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