Der Genfer Sicherheitsdirektor ist eine Ausnahmeerscheinung in der Schweizer Politik: Schon als Jungpolitiker gelangte er in Genf in Amt und Würden. Im zarten Politiker-Alter von 34 Jahren schaffte er es in den Staatsrat.
Letztes Jahr kandidierte Maudet, durchaus aussichtsreich, um die Nachfolge von Didier Burkhalter als Bundesrat. Seit diesem Jahr amtete er als Genfer Regierungspräsident. Nun der tiefe Fall des liberalen Shootingstars.
Maudet ist politisch zunehmend isoliert. Am Donnerstag wurde er von seinen Genfer Regierungskollegen teilentmachtet, kurz darauf distanzierte sich auch FDP-Präsidentin Petra Gössi von Maudet. Er müsse sich überlegen, ob er in seinem Amt noch etwas bewirken könne.
Eine indirekte Rücktrittsaufforderung, finden Beobachter, so auch Politologe Georg Lutz. Aber: «Der Einzige, der Maudet zum Rücktritt bewegen kann, ist er selbst – oder in fünf Jahren das Volk.»
Der Zeitpunkt eines Rücktritts will wohlüberlegt sein, gibt Lutz zu bedenken: «Je länger man wartet, umso grösser ist der Gesichtsverlust, wenn man dann trotzdem zurücktreten muss.» Davon will Maudet aber nichts wissen: «Ich kämpfe um mein Amt und meine Ehre», sagte er gestern vor den Medien in Genf. Es dürfte, wie Politologe Lutz glaubt, ein Kampf gegen Windmühlen werden: «Die Situation ist derzeit ziemlich ausweglos.»
Exit-Strategie durch Parteileitung?
Man dürfe davon ausgehen, dass die kantonale und nationale Parteileitung der FDP an einem «einigermassen vernünftigen Ausweg» für Maudet arbeiten würden. Zumal die Affäre ein grosses Ärgernis für die Partei sei: «Die FDP hat lange unter dem Image gelitten, dass sie nur den Interessen der Wirtschaft, der Banken und der Superreichen diene und Teil dieses Filzes sei. Sie hat lange gebraucht, um davon wegzukommen.»
Mit der Frage, wie eine Exit-Strategie aussehen kann, beschäftigt sich auch Politikberater Mark Balsiger. Der selbst- und machtbewusste Genfer Politiker stehe nun erstmals in seiner Karriere mit dem Rücken zur Wand, sagt Balsiger: «Wenn er nun für Amt und Ehre kämpft, ist das das einzige, was ihm bleibt.» Es werde aber ein einsamer und ein erfolgloser Kampf für ihn.
Maudet hat mehrfach gelogen. Das wiegt sehr schwer und er wird sich kaum retten können.
Aus rechtlicher Perspektive droht Maudet kurzfristig kein Ungemach. Denn die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Die Untersuchung der Genfer Staatsanwaltschaft wird Monate dauern. Demgegenüber stehe aber die «moralische Perspektive», so Balsiger. Das Publikum fälle sein Urteil in der Regel sehr schnell: «Bei Maudet ist das bereits geschehen. Er hat mehrfach gelogen. Das wiegt sehr schwer. Maudet wird sich kaum retten können.»
Sollte Maudet versuchen, das juristische Urteil abzuwarten und damit die Staatskrise im Kanton Genf auszusitzen, dürfte auch das wenig Aussichten auf Erfolg haben, glaubt Balsiger: «Zumal er in Teilen die Unterstützung der eigenen Partei verloren hat.»
Maudet wird zum Ballast für die FDP
Wird sich der politische Überflieger also geprügelt aus dem Amt schleichen? Balsiger hält das für den wahrscheinlichsten Fall. Das Vertrauen der Kollegen in der Genfer Regierung sei zu beschädigt, und auch für seine Wählerinnen und Wähler sei er nun «in den Niederungen der Lügen» hängen geblieben.
Schliesslich dürfte die Mutterpartei im anstehenden Wahljahr wenig Interesse an einer derart beschädigten, landesweit bekannten Figur haben: «Ohne Maudets Rücktritt würde die Affäre monatelang vor sich hinmotten», schätzt Balsiger.
Die FDP habe in den kantonalen Wahlen der letzten drei Jahre einen sehr guten Lauf gehabt, sie wolle das 2019 auch bei den eidgenössischen Wahlen umsetzen: «Deswegen kann sie sich nicht erlauben, dass sie über Monate in einer Affäre gefangen ist, die sie zurückbindet», schliesst Balsiger.