«Die Grosseltern können ohne Gefahr die Kleinkinder an sich drücken», sagte der Corona-Delegierte Daniel Koch gestern Montag. Noch vor zwei Wochen hatte er vom Kontakt zwischen Grosseltern und Enkeln grundsätzlich abgeraten. Die Aussage komme sehr überraschend, sagt denn auch Wissenschaftsredaktorin Cathrin Caprez.
SRF News: Wie schätzen Sie die Kehrtwende des Bundes ein?
Cathrin Caprez: Die Kehrtwende von Koch kommt sehr überraschend, weil es immer noch sehr wenige Studien zur Rolle der Kinder bei Covid-19 gibt. Kinder werden zwar in vielen Studien quasi mituntersucht. Oft sind dann aber so wenige Kinder mit dabei, dass sich keine detaillierten und statistisch signifikanten Aussagen machen lassen.
Was weiss man denn Gesichertes über die Ansteckung und Übertragung bei Kindern?
Es gibt verschiedene Untersuchungen, die darauf hinweisen, dass sich Kinder seltener anstecken. Dann beobachtet man schon seit Längerem, dass Kinder viel seltener Symptome entwickeln, oft auch Verläufe ganz ohne Symptome haben. Und dann weiss man eben auch mittlerweile, dass Infizierte ohne Symptome – asymptomatische Fälle – nur sehr selten andere anstecken. Aus diesen drei Punkten kann man zumindest ableiten, dass kurze Kontakte zwischen kleineren Kindern und ihren Grosseltern wohl ein geringes Risiko für letztere darstellen.
Man hört auch immer wieder von einzelnen schweren Verläufen – etwa bei Jugendlichen. Sind ältere Kinder also gefährdeter?
Das ist so. Die Rolle der Kinder bei Covid-19 wird gewichtiger, je älter sie werden. Das lässt sich heute sagen. Aber wo genau die kritische Altersgrenze verläuft, ist noch unklar. Dazu fehlen die spezifischen Untersuchungen noch weitestgehend. Spätestens ab der Pubertät sehen die Daten zum Infektionsrisiko und zu Erkrankungen auch mit Komplikationen dann wirklich anders aus. Da gibt es vereinzelt auch immer wieder Todesfälle.
Der Unterschied zwischen einmal umarmen und einen halben Tag hüten – wieso ist das wichtig?
Die Wahrscheinlichkeit macht hier den Unterschied. Das Risiko für die Grosseltern ist auch bei kleinen Enkelkindern nicht ganz gleich Null. Je länger der Kontakt, desto grösser also die Wahrscheinlichkeit, dass es doch einmal zu einer Ansteckung kommt. Eine Rolle können auch die Eltern spielen, wenn diese ihre Kinder den Grosseltern zum Hüten bringen und der Abstand nicht mehr so strikt eingehalten wird.
Das Risiko für die Grosseltern ist auch bei kleinen Enkelkindern nicht ganz gleich Null.
Kann die Generation über 65 erst wieder Enkel hüten, wenn ein Impfstoff vorhanden ist?
Von einer so düsteren Perspektive würde ich nicht ausgehen. Einen Impfstoff gibt es frühestens in mehreren Monaten bis zu anderthalb Jahren. Bis dahin wird aber die Rolle der Kinder in verschiedenen Studien noch genauer untersucht. Denn gerade auch rund um die Frage der Schulschliessungen will man Genaueres über die Rolle der Kinder wissen.
Ich schätze, dass wir in ein bis zwei Monaten einiges mehr über das Ansteckungsrisiko von Kindern wissen und warum sie vom Coronavirus generell fast verschont bleiben. Ebenso, unter welchen Bedingungen ein Kontakt zu den Grosseltern eben möglichst sicher wieder möglich ist.
Das Gespräch führte Roger Aebli.