Nach der Corona-Pandemie verzeichnete die Schweiz so viele Konkurse wie noch nie. Hunderte Firmen konnten Unterstützungsgelder nicht zurückzahlen, standen vor dem Aus. 2025 dürften noch mehr Firmen Konkurs gehen. Jedoch aus einem anderen Grund.
Per Anfang Jahr gab es in der Schweiz eine Änderung im Konkursgesetz. Seither muss die öffentliche Hand Firmen in den Konkurs treiben, wenn diese ihre Schulden nicht bezahlen. Dies gilt für alle Firmen, die im Handelsregister eingetragen sind.
Bisher konnten Amtsstellen offene Rechnungen wie etwa Steuerforderungen oder Bussen nur über eine Pfändung eintreiben. In diesem Fall werden etwa Maschinen oder Gebäude der Firma beschlagnahmt.
Zahlenmässig sind der Bund, die Kantone und die Gemeinden in der Schweiz die grössten Gläubiger.
Neu droht den Unternehmen also nicht nur eine Pfändung, sondern der Konkurs, wenn sie ihre Schulden beim Staat nicht bezahlen. Deshalb dürften deutlich mehr Konkursverfahren eröffnet werden, wie Marco Lucchinetti sagt, der beim Notariatsinspektorat beim Kanton Zürich eine spezielle Konkurs-Equipe leitet: «Zahlenmässig sind der Bund, die Kantone und die Gemeinden in der Schweiz die grössten Gläubiger.»
Notariate erwarten eine Verfahrenswelle
Noch ist zwar nicht klar, welche Konsequenzen die Gesetzesänderungen haben. Expertinnen und Experten gingen in Schätzungen allerdings von einer Verdoppelung bis zu einer Verzehnfachung der Konkurszahlen aus, wie Flurina Schorta, die oberste Richterin des Kantons Zürich, kürzlich im Kantonsparlament sagte.
Auch Philipp Widmer, der Notar von Uster, spricht von einer möglichen Welle an Verfahren, die nun auf die Konkursämter zurolle. Im Kanton Zürich könnten es schätzungsweise über 2000 Verfahren mehr sein als letztes Jahr. «Das wäre eine massive Steigerung.» Im letzten Jahr wurden bereits über 1100 Verfahren eröffnet.
Jedoch seien die Schätzungen mit viel Unsicherheiten behaftet, sagt Widmer. Denn obwohl sie das Gesetz neu zu Konkursverfahren verpflichtet, ist trotzdem offen, wie die Ämter konkret mit den neuen Vorgaben umgehen.
Private, die schon länger ein Konkursverfahren erwirken können, verzichteten teilweise darauf. Sie müssten beim Gericht nämlich einen Vorschuss von 2000 Franken für die Verfahrenskosten bezahlen. «Das ist dann doch jeweils ein rechtes Hindernis», sagt Widmer. Es ist nicht klar, ob der private Gläubiger sein Geld zurückerhält.
Wie die Amtsstellen mit diesem Risiko umgehen, sei offen. Es könne sein, sagt Widmer, dass sie das Risiko, auf den Kosten sitzen zu bleiben, aus Prinzip immer auf sich nehmen. Es sei jedoch auch denkbar, dass sie zurückhaltend seien. Dass die Amtsstellen also nur dann einen Konkurs verlangten, wenn die Aussichten gut seien, dass sie den Kostenvorschuss am Ende zurückerhalten. Und sonst darauf verzichten.
Zusätzliche Stellen im Kanton Zürich bewilligt
Klar ist hingegen, dass die vielen zusätzlichen Verfahren die Konkursämter unter Druck setzt. Um Schritt zu halten, bräuchten sie zusätzliches Personal, sagt Widmer.
Wir sind aktuell in einem Prozess, um zusätzliches Personal anstellen und ausbilden zu können.
Das Zürcher Kantonsparlament hat den Bedarf erkannt und bei der Budgetdebatte im Dezember zusätzliche Stellen bewilligt. Marco Lucchinetti vom Notariatsinspektorat sagt: «Wir sind aktuell in einem Bewerbungsprozess, um zusätzliches Personal anstellen und ausbilden zu können.» Das Ziel sei, bereit zu sein, wenn die Fallzahlen stark ansteigen sollten. Das dürfte mit Verzögerung im Sommer der Fall sein.