Als Wirtschaftsprüfer ist Philipp B. beruflich viel unterwegs. Als er im letzten Herbst ein Billett über die SBB-App auf Rechnung kaufen will, erscheint eine Fehlermeldung: Der Kaufvorgang sei nicht möglich, mit Verweis auf seine Kreditwürdigkeit.
Philipp B. kann das nicht nachvollziehen, er bezahlt seine Rechnungen pünktlich und hat keine Betreibungen. Die Firma Byjuno wickelt die Zahlungen für die SBB-App via Rechnung ab. Sie besteht darauf, er habe eine schlechte Bonität. Für mehr Informationen solle er sich an die Kreditrating-Firma Intrum wenden. Philipp B. wundert sich. Er bezieht das Halbtax der SBB immer auf Rechnung, jetzt bei den Ticktes soll das nicht möglich sein.
«Negativer Haushaltstreffer» in der Bonitätsinformation
Auf seine Anfrage bestätigt Intrum, seine Bonität sei positiv. Sie hat ihn aber mit einem «negativen Haushaltstreffer» belegt. Es heisst: «Jedoch besteht eine negative Bonitätsinformation über eine Person mit demselben Familiennamen an identischer Adresse (sogenannter negativer Haushaltstreffer).»
Tatsächlich wohnte der erwachsene Sohn von Philipp B. im selben Haus. Und ist der Grund, weshalb Philipp B. keine SBB-Tickets auf Rechnung kaufen kann. Philipp B. ärgert sich: «Da ist mir Sippenhaft in den Sinn gekommen. Es muss jemand für Probleme, von jemand anderem, geradestehen.»
Problem ist beim Datenschutzbeauftragten bekannt
Laut Intrum soll der Sohn nicht immer alle Rechnungen bezahlt haben. Dazu gibt es einen Zwist über Gebühren, die die Inkassoabteilung der Firma Intrum erhoben hat. Anfangs Jahr ist der Sohn ausgezogen.
Für den eidgenössischen Datenschutzbeauftragten Adrian Lobsiger sind negative Haushaltstreffer problematisch. Denn diese wenden nicht nur Intrum, sondern auch andere Kreditratingfirmen an. Er weist darauf hin: «Wir haben zur Zeit eine hängige Untersuchung in der Kreditrating-Branche.» Aus verfahrensrechtlichen Gründen kann er nicht mehr dazu sagen.
Interessanter Link zum Thema:
Die Firma Intrum verteidigt ihr Vorgehen und schreibt «Kassensturz», Haushaltstreffer hätten die Funktion, Firmen vor Zahlungsausfällen zu schützen, und: «Unternehmen, die das Risiko eines potentiellen Zahlungsausfalls tragen, haben daher das berechtigte Interesse, dass die Bonität von Haushaltsmitgliedern bei ihrer Entscheidung berücksichtigt wird.»
Patrick Kessler vertritt als Geschäftsführer des Handelsverbandes Schweiz 350 Versand- und Onlinehändler. Er betont, für Onlineshops seien Bonitätsauskünfte wichtig, um das Betrugsrisiko minimieren zu können.
Im Onlinehandel ist die Rechnung die beliebteste Zahlungsart, weiss Patrick Kessler: «Für Onlinehändler ist es daher wichtig zu wissen, wem schicke ich diese Ware, wird bezahlt und existiert diese Person.»
Philipp B. findet das Vorgehen von Intrum nicht akzeptabel, deshalb wollte er seine Daten löschen lassen. Doch Patrick Kessler rät davon ab: «Wenn eine Person nicht existent ist in der Datenbank, dann wird der Händler nicht mehr liefern.»
Die Firma Intrum bestätigt «Kassensturz», sie habe die Daten von Philipp B. in der Zwischenzeit angepasst und den negativen Haushaltstreffer entfernt.