Die Bevölkerung und auch die Politik habe ein falsches Bild von den Kosten eines Medizinstudiums, findet der Verband der Schweizer Medizinstudierenden. Stets sei von 120’000 Franken pro Studienplatz die Rede. Doch in diesem Betrag sei auch das Geld für die Forschung eingerechnet.
Effektiv koste rein die Ausbildung nur rund 30’000 Franken. Der Verband stützt seine Berechnungen auf Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS). Die «CH Media»-Zeitungen haben am Freitag darüber berichtet.
Marc Reynaud de la Jara vom Verband der Schweizer Medizinstudierenden fordert vor diesem Hintergrund mehr Plätze für das Studium der Humanmedizin: «Wir sind in einem Ärztemangel. Für mich ist es vor allem wichtig, dass auch die Politik jetzt mit den richtigen Zahlen rechnet.»
Forderung trifft auf Widerstand – und sie trifft einen Nerv
Ganz so einfach, wie es der Studierendenverband darstellt, ist es jedoch nicht. Beim BFS heisst es auf Anfrage, die Interpretation der Zahlen sei nicht mit dem BFS abgesprochen. Nur die Kosten für die Ausbildung allein zu betrachten, sei nicht zielführend. Denn für eine qualitativ hochstehende Lehre werde auch Forschung gebraucht. Somit ist es durchaus sinnvoll, auch die Forschungskosten mit einzurechnen.
Dennoch trifft die Forderung der Medizinstudentinnen und -studenten nach mehr Studienplätzen einen Nerv. Denn auch ein Grossteil der Parlamentarierinnen und Parlamentarier findet, dass die Schweiz mehr Ärztinnen und Ärzte ausbilden muss.
Die Frage ist letztlich: Wie schnell können an Schweizer Universitäten mehr Studienplätze geschaffen werden? Roman Hari, Lehrdekan an der Medizinischen Fakultät der Uni Bern, sagt, man sei derzeit noch dabei, die letzte Aufstockung der Studienplätze vom Jahr 2018 zu verdauen.
Universitäten am Limit
«Wir sind in einigen Bereichen schon jetzt am Kapazitätslimit. Das sind einerseits räumliche Faktoren. Die Medizinische Fakultät in Bern hat schon sehr originelle Lösungen finden müssen. Wir haben beispielsweise ein altes Kino in einen Hörsaal umfunktioniert. Aber das Hauptproblem sind personelle Kapazitäten.» So fehlen etwa Professoren und Dozentinnen.
Zudem sei das Medizinstudium an der Uni Bern sehr praxisorientiert. Es gehören Praktika in Hausarztpraxen dazu, Übungen an Patientinnen und Patienten. Solche Formate könne man nicht ohne Weiteres innert kurzer Zeit ausweiten.
Auch bei der Universität Basel heisst es, der Ausbau der Studienplätze in der Humanmedizin sei eine Herausforderung. In den ersten Studienjahren sei das noch einfacher, dann werde es schwieriger, sagt Matthias Geering, Kommunikationsleiter der Uni Basel.
«Sobald mit Patientinnen und Patienten gearbeitet wird, kommt der Flaschenhals. Dort wird es eine grosse Aufgabe sein, dass man die Qualität der Lehre halten und trotzdem mehr Studierenden einen direkten Kontakt zu den Patientinnen und Patienten ermöglichen kann.»
Eine Kostenfrage
Die Universität Basel begrüsse die Forderung, dass mehr Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz ausgebildet werden sollen. Der Ausbau müsse jedoch finanziert werden können – da brauche es auch das Engagement des Bundes. «Es wird sich dann zeigen, wenn man diese ganzen Anpassungen macht, wie gross die Mehrkosten sind und nach welchem Schlüssel die geteilt werden», so Geering.