- Das Parlament hat die Abschaffung des Numerus clausus für das Medizinstudium beschlossen. Dies soll den Zugang zu den Unis erleichtern und den Fachkräftemangel lindern.
- Expertinnen wie die Präsidentin des Ärzteverbandes FMH warnen, dass dies den Fachkräftemangel allein nicht lösen wird, da die Zahl der Masterplätze weiterhin begrenzt ist.
- FMH-Präsidentin Yvonne Gilli schlägt ein gemischtes Selektionsverfahren vor, das neben kognitiven Tests auch soziale und emotionale Fähigkeiten berücksichtigt.
Die Entscheidung des Parlaments, den Numerus clausus für das Medizinstudium abzuschaffen, markiert einen Wendepunkt in der Bildungslandschaft der Schweiz. Jahrzehntelang galt der Numerus clausus als entscheidende Hürde für angehende Mediziner, doch mit diesem Beschluss sollen nun die Zugangsbeschränkungen überdacht werden. Doch welche Folgen hat das wirklich für den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen?
Es braucht eine Kombination aus zusätzlichen Studienplätzen und Reformen in der Weiterbildung.
Der Ärzteverband FMH selbst hält den parlamentarischen Entscheid zwar für sinnvoll, aber nur für begrenzt zielführend.
Yvonne Gilli, Präsidentin des Ärzteverbandes FMH, begrüsst die Entscheidung des Parlaments, sieht jedoch klare Grenzen: «Die Abschaffung allein behebt den Fachkräftemangel nicht. Es bleibt eine Selektion bestehen, sei es vor oder während des Studiums.»
Der Numerus clausus war bislang eine Methode, die Medizinstudierenden durch einen kognitiven Test auszuwählen. Doch Kritiker bemängeln, dass dieser Test entscheidende soziale und emotionale Fähigkeiten unberücksichtigt lässt, die für den Arztberuf unerlässlich sind.
Ein zentrales Problem bleibt laut Gilli die limitierte Anzahl an Masterstudienplätzen. Auch wenn mehr Studierende ein Medizinstudium beginnen können, bleibt die Zahl derer, die es erfolgreich abschliessen können, durch die verfügbaren Masterplätze beschränkt. Bundesrat Guy Parmelin hatte sich im Vorfeld ebenfalls gegen die Abschaffung des Numerus clausus ausgesprochen, da diese allein den Fachkräftemangel nicht beseitigen werde.
Gilli unterstützt diese Einschätzung: «Es braucht eine Kombination aus zusätzlichen Studienplätzen und Reformen in der Weiterbildung, um langfristig genügend Ärztinnen und Ärzte zu haben.»
Alternativen zum Numerus Clausus?
Mit der Reform steht die Frage im Raum, wie zukünftig die Auswahl der Medizinstudierenden gestaltet werden soll. Gilli plädiert für ein gemischtes Verfahren: «Neben dem Numerus clausus könnten Kurzinterviews eingeführt werden, um auch emotionale und soziale Kompetenzen zu bewerten.» Diese Fähigkeiten seien für den späteren Beruf unerlässlich, insbesondere in der Hausarztmedizin, wo der Fachkräftemangel besonders spürbar ist.
Ein weiteres Problem, das durch die Abschaffung des Numerus clausus nicht gelöst wird, ist die wachsende Abhängigkeit der Schweiz von ausländischen Ärzten. Derzeit stammen rund zwei Drittel der in der Schweiz praktizierenden Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland, und die meisten von ihnen sind Spezialistinnen. Hausärztinnen und Hausärzte sind hingegen rar. «Die Lösung liegt in der Erhöhung der Studienplätze in der Schweiz», betont Gilli.
55 Stunden pro Woche sind unattraktiv
Trotz der Schwierigkeiten bleibt der Arztberuf attraktiv, betont Gilli abschliessend. Doch sie warnt: «Wenn wir die Arbeitsbedingungen nicht anpassen, könnte sich das ändern.» Junge Ärztinnen und Ärzte seien heute nicht mehr bereit, 55 Stunden pro Woche zu arbeiten. Mehr Fachkräfte seien daher auch nötig, um bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen.