Für jeden Franken, den Unternehmen weniger Steuern zahlen müssen, fliesst ein Franken in die AHV: Diese Formel hat das Parlament geschaffen. Es hat so die Steuerreform (Staf) mit einer Geldspritze von jährlich zwei Milliarden Franken an die AHV verknüpft, als Ausgleich für die breite Bevölkerung.
Man nimmt denen das Geld weg, die sonst einen höheren Lohn hätten, und finanziert damit die AHV. Was daran gerecht sein soll, verstehe ich nicht.
Bloss: Die zwei Milliarden regnen nicht wundersamerweise vom Himmel. Jemand muss die Rechnung bezahlen. Und so fliesst das Geld aus der Bundeskasse, stammt somit vom Steuerzahler, von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Allen wird vom Lohn zusätzlich etwas für die AHV abgezwackt.
Doch was hat das mit einem sozialen Ausgleich zu tun? Das fragt sich SVP-Nationalrat Sebastian Frehner, und sagt: «Man nimmt denen das Geld weg, die sonst einen höheren Lohn hätten, und finanziert damit die AHV. Was daran besonders gerecht sein soll, verstehe ich nicht.»
Die AHV hat einen grossen Umverteilungseffekt. Darum ist es eine gute Kompensation, wenn man so etwas zurückgeben kann.
Die Erklärung liefert die Linke, die das Steuer-AHV-Paket mitgeschnürt hat. Barbara Gysi, Vizepräsidentin der SP Schweiz, sagt: «92 Prozent der Menschen bekommen mehr AHV, als sie je einbezahlt haben.» Die AHV habe somit einen grossen Umverteilungseffekt. «Und darum ist es eine gute Kompensation, wenn man so über die AHV etwas zurückgeben kann.»
Topverdiener zahlt mehr ein als er kriegt
Die AHV verteilt Geld um, und zwar von oben nach unten. Denn die Höhe der AHV-Renten ist begrenzt – die Höhe der Beiträge hingegen unbegrenzt. Das heisst: Auch der Top-Manager mit einem Millionensalär liefert auf jedem Franken Lohn Beiträge an die AHV ab. Seine Rente hingegen ist plafoniert.
Der Grossverdiener erhält von der AHV also nie so viel Geld zurück, wie er einbezahlt hat. Und doch: Die zwei zusätzlichen Milliarden Franken für die AHV berappen die Steuerzahler; die Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Daran störte sich zunächst auch Marius Brülhart, Volkswirtschaftsprofessor an der Uni Lausanne. Sein erster Reflex: «Es kann ja nicht sein, dass man Unternehmern und Aktionären eine Steuerreduktion zukommen lässt, und als Kompensation dürfen wir alle mehr Lohnprozente zahlen. Das geht nicht auf.»
Arme und Reiche profitieren
Brülhart rechnete nach. Wie sieht das Ganze aus, wenn man beide Teile des Pakets berücksichtigt, also AHV und Steuerreform? Er teilte die Bevölkerung in zwei Gruppen: in die obersten 10 Prozent der Steuerzahler und die unteren 90 Prozent. Seine Erkenntnis: Die reichsten 10 Prozent gewinnen bei der Steuerreform. Dafür profitiert der Rest von der AHV-Zusatzfinanzierung. Zentral sei, so Brühlhart, dass unterm Strich die Rechnung ausgeglichen sei.
«Der Gewinn der oberen 10 Prozent ist ungefähr vergleichbar mit dem Gewinn der unteren 90 Prozent», so Brühlhart. In verteilungspolitischer Hinsicht würden AHV- und Steuerreform daher gar nicht so schlecht zueinander passen. Seine anfängliche Skepsis hat er damit ein Stück weit überwunden.
Junge müssen länger und mehr einzahlen
Anders aber sehe die Sache aus, wenn man die Bevölkerung in Jung und Alt teile, so Brülhart. «Sobald man die AHV über die Lohnprozente finanziert, sind die Älteren bessergestellt. Sie haben eine weniger lange Zahlungsdauer vor sich.» Aus der Sicht der jüngeren Generationen sei das nicht sehr günstig. Denn sie müssten die zusätzlichen Lohnprozente viel länger zahlen.
Der Gewinn der oberen 10 Prozent ist ungefähr vergleichbar mit dem Gewinn der unteren 90 Prozent.
Daran stören sich Gegner der Vorlage: Die AHV brauche inhaltliche Reformen. Mehr Geld löse die Probleme nicht, es verschiebe eine Lösung nur auf später.