Es ist ein Schweizer Novum: Das Basler Parlament hat entschieden, dass Grossrätinnen und Grossräte unter bestimmten Bedingung auch online abstimmen können. Dem Entscheid ist eine lange Grundsatzdebatte vorausgegangen. Pascal Messerli (SVP) sagte: «Wir sind gewählt, damit wir im Parlament Lösungen finden. Wenn wir alle von irgendwoher Politik machen, dann ist das der falsche Schritt.»
Grosser Streitpunkt: Jokertage
So weit möchte der Grosse Rat denn allerdings auch nicht gehen. Virtuelles Abstimmen soll nur für bestimmte Gruppen möglich sein:
- Für junge Mütter und Väter
- Für Parlamentarier, die unter einer schweren Krankheit leiden
- Zusätzlich soll es für alle Grossräte frei wählbare Jokertage geben
Für viel Diskussionsstoff sorgte insbesondere die Regelung, dass alle Grossrätinnen und Grossräte auch Jokertage haben sollen, an dem sie virtuell abstimmen können. Besonders die Ratslinke setzte sich dafür ein: «Damit können wir eine grössere Vereinbarkeit zwischen Politik, Beruf und Familie schaffen», argumentierte Jo Vergeat (Grüne).
Mit der neuen Regelung sollen Ratsmitglieder ein Kontingent von maximal vier Sitzungstagen pro Amtsperiode erhalten, an welchen sie digital abstimmen können. Wer zum Beispiel wegen eines beruflichen Termins verhindert ist, kann im Schnitt einmal pro Jahr seine Stimme online abgeben.
Damit können wir eine grössere Vereinbarkeit zwischen Politik, Beruf und Familie schaffen.
Trotzdem müsse es die absolute Ausnahme bleiben, virtuell an den Sitzungen teilzunehmen, sagen auch die Befürworterinnen.
Nur abstimmen, nicht mitdiskutieren
Entsprechend sollen die Möglichkeiten und politischen Rechte für Zugeschaltete eingeschränkt bleiben.
So soll es zum Beispiel nur möglich sein, digital an Abstimmungen teilzunehmen. Mitdiskutieren oder eigene Voten einreichen, soll nicht gehen. Und weiter soll für die virtuelle Teilnahme auch kein Sitzungsgeld ausbezahlt werden.
Wir sind hier in einem kantonalen Parlament und nicht an einem Kindergeburtstag.
Trotz dieser Einschränkungen stösst die Idee der Jokertage SVP-Grossrat Pascal Messerli sauer auf: «Wir sind hier in einem kantonalen Parlament und nicht an einem Kindergeburtstag. Gerade bei knappen Abstimmungen erwarte ich, dass man alle anderen Termine sausen lässt.»
Klare Mehrheit will digitale Lösung
Trotz dieser Bedenken sprach sich eine Mehrheit für diese Lösung mit Jokertagen aus. Das Kantonsparlament stimmte mit 88 zu 4 Stimmen der Teilrevision des Gesetzes über die Geschäftsordnung des Grossen Rats zu.
Für SP-Grossrätin Barbara Heer ist diese Möglichkeit überfällig: «Ursprünglich verkehrten in diesem Parlament vor allem wohlhabende Männer. Wenn Schwangerschaft und Betreuungsaufgaben ein Nachteil sind, sind das geschlechtsspezifische Diskriminierungen.»
Wenn der Basler Grosse Rat die Vorlage in der zweiten Lesung bestätigt, ist neben der rechtlichen Anpassung auch eine technische Lösung gefragt.
Die Abstimmungsresultate sollen direkt im Grossrats-Saal angezeigt werden.
Beat Flury, Leiter der Basler Parlamentsdienste, sagt dazu: «Wir führen im Sommer ein neues Abstimmungssystem ein. Da soll es die Möglichkeit geben, dass sie die Parlamentarier extern einloggen können. Die Abstimmungsresultate sollen dann direkt im Grossrats-Saal angezeigt werden.»
Damit begeht Basel-Stadt in der Schweiz Neuland. Ein ähnlicher Vorstoss ist im Kanton Solothurn in Bearbeitung. Die revidierte Geschäftsordnung tritt bis spätestens 1. Februar 2025 in Kraft.