In verschiedenen Gemeinden im Kanton Appenzell Ausserrhoden wird zweimal Silvester gefeiert. Einmal nach dem gregorianischen Kalender am 31. Dezember und einmal nach dem alten julianischen Kalender am 13. Januar. Das ist der «alte Silvester». Gruppen von Silvesterchläusen – sie werden Schuppel genannt – ziehen von Hof zu Hof und wünschen ein gutes neues Jahr. Hansueli Frick kennt den Brauch seit seiner Kindheit.
SRF News: Sie waren über 50 Jahre lang selber Silvesterchlaus. Stehen Sie am 13. Januar immer noch früh auf?
Hansueli Frick: Ja. Es war wunderbar heute Morgen. Ich bin um halb sechs Uhr aufgestanden. Der Mond hat geschienen und es hatte Hochnebelschwaden – eine gedämpfte Stimmung, aber doch ganz hell. Um halb sechs Uhr habe ich vom Frühstückstisch aus den ersten Schuppel gesehen – mit den Lichtern auf ihren Hauben.
Die drei verschiedenen Arten von Silvesterchläusen
Wie läuft der alte Silvester ab, was passiert da?
Die Schuppel gehen von Haus zu Haus, von Hof zu Hof. Bei jedem Haus werden drei Zäuerli gesungen. Ein Zäuerli ist ein Naturjodel. Man hat abgesprochen, wo man Znüni isst – eine heisse Wurst und ein Stück Brot und dann geht es wieder weiter. Gegen den Mittag kommen die Schuppel ins Tal.
Unterwegs darf man kein Haus auslassen, sonst wären die Leute dort sehr beleidigt.
Mit dem Feiern des alten Silvesters zeigen die Ausserrhoder Widerstand.
Richtig. Papst Gregor musste 1582 den Kalender um 13 Tage revidieren. Aber die Urnäscher waren nicht einverstanden. Sie haben nicht mitgemacht. Weil Ausserrhoden ein reformierter Kanton ist, mussten sie dem Papst nicht «folgen». Und dann haben sie bis ins 17. Jahrhundert an diesem Kalender festgehalten. Danach mussten sie jedoch wohl oder übel den gregorianischen Kalender auch akzeptieren.
Wie wird man Silvesterchlaus? Wird einem das in die Wiege gelegt?
Das ist genau so. Ich hatte durch meine Familie doppeltes Glück: Meine Mutter und mein Vater kommen beide aus einem Chlausenhaus. Deshalb gab es aus uns Buben «Doppelchläuse». Und wir mussten das gar nicht lernen. Wir haben es vom Vater und anderen Vorbildern abgeschaut und weitergeführt. So läuft das weiter, von Generation zu Generation.
Das heisst, nicht jeder kann Silvesterchlaus werden?
Jeder kann Silvesterchlaus werden, aber man hat es schwierig, in eine Gruppe hineinzukommen.
Man kann nicht einfach am Silvester ein Chlaus sein, man muss das ganze Jahr mit den Kollegen zusammen sein.
Den Kontakt unter dem Schuppel muss man das ganze Jahr pflegen. Man kann nicht einfach am Silvester ein Chlaus sein, man muss das ganze Jahr mit den Kollegen zusammen sein. Vor allem hilft man sich gegenseitig bei den Alpfahrten und der Viehschau. Man sieht sich also regelmässig. Und in einem Schuppel sind auch jeweils etwa Gleichaltrige.
Das Silvesterchlausen ist extrem beliebt, jedes Jahr kommen viele Touristinnen und Touristen. Haben Sie einen Tipp, wie man das Chlausen am besten miterleben kann?
Das ist ganz einfach. Man zieht gute Winterkleider an und macht eine Winterwanderung. Dann geht man auf die Suche: Man hört die Chläuse von weitem. Dann hört und schaut man aus anständiger Nähe zu und nimmt es im Herzen mit nach Hause.
Wünscht man sich am alten Silvester auch «äs guets Neus» oder etwas anderes?
Genau gleich wie beim neuen Silvester. Wenn man sich bei einem Haus oder Hof verabschiedet, sagt man: Tschau Köbi – oder wie die Person heisst – ich wünsche dir «äs guets Neus!»
Das Gespräch führte Michael Brunner.