Das Interesse an einer Alternative zur Volksschule wächst sichtbar. Beispielsweise an der Gymnasialstufe der Rudolf-Steiner-Schule sind 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler aus der Volksschule an die private Mittelschule gekommen. Früher war ihr Anteil deutlich kleiner.
Ein Beispiel ist Roger Weber. Zwei seiner vier Kinder machen derzeit die Matura an der Atelierschule – nachdem sie zuvor an der öffentlichen Schule waren. Der Wechsel an die private Mittelschule war auch etwas dem Zufall geschuldet, sagt Weber. Denn es war zur Zeit von Corona, und sein Sohn wusste nach der Sekundarschule nicht so richtig, wie weiter.
Die Atelierschule konnte in ihm «die intrinsische Motivation» wecken, sagt Weber. Der Teenager entdeckte die Lust am Lernen. Auch wenn die Schule in erster Linie auch den obligaten Pflichtstoff vermittelt, sodass man die eidgenössische Matura abschliessen kann. Hinzu kommt aber mehr Kreativität im Unterricht.
Privatschule investiert Millionen – ohne staatliche Unterstützung
Die Atelierschule Zürich gehört zur Rudolf-Steiner-Schule und wurde vor zwanzig Jahren gegründet. Derzeit werden 310 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, und es sollen mehr werden. Deshalb investiert die Privatschule mehrere Millionen Franken in den Um- und Ausbau der Liegenschaften, wie Schulleiterin Marina Heusser sagt.
Im Gegensatz zu den Volksschulen muss die Atelierschule das Geld aber selbst aufbringen. Dabei setzt man gezielt auf Spenden und Gönnerbeiträge. Den Rest müssen die Eltern zahlen. Etwas mehr Unterstützung von der öffentlichen Hand wäre angebracht. Gerade für die Maturitätsschule, findet Schulleiterin Julia Tullius. Denn: «Wir haben die Auflage, alle Anforderungen des Staates zu erfüllen.» Komme hinzu, dass man den Staat entlaste.
Das findet auch FDP-Politiker Filippo Leutenegger. Er ist Zürcher Stadtrat und als Zürcher Schulvorsteher zuständig für die Volksschulen. Dennoch findet er, dass man den Privatschulen entgegenkommen müsse. «Es wäre ein grosser Vorteil, wenn die Eltern mehr Steuerabzüge machen könnten. Heute sind nur freiwillige Spenden erlaubt, keine schulischen Beiträge.»
Von mehr staatlicher Unterstützung für Privatschulen hält Dagmar Rösler wenig. Die Präsidentin des Dachverbandes der Lehrerinnen und Lehrer betont, sie habe nichts gegen Privatschulen und könne die Forderungen nach mehr finanzieller Unterstützung verstehen. «Ich finde aber, in der Schweiz gibt es ein gutes Angebot bezüglich Volksschule. Wenn man das nicht annehmen möchte, bezahlt man ein anderes Angebot aus der eigenen Tasche.»
Nur fünf Prozent Privatschülerinnen und -schüler
Die Zahlen würden für sich sprechen. Es gäbe zwar immer mehr Privatschulen in der Schweiz, aber der Anteil der Schülerinnen und Schüler, welche eine Privatschule besuchten, läge seit Jahren unverändert bei rund fünf Prozent. Mit 95 Prozent besucht die ganz grosse Mehrheit die Volksschule. Diese dürfe man nicht schwächen, warnt Rössler.
Aber genau das wäre der Fall, wenn der Bund oder die Kantone private Schulen finanziell mehr unterstützen würden: «Das Geld würde von der Volksschule abgezogen oder das Bildungssystem müsste zusätzlich verteuert werden. Da sehe ich eine grosse Problematik.»
Das scheint auch die Mehrheit so zu sehen. Entsprechende Vorstösse hatten in der Politik bisher keine Chancen. Und so müssen Eltern für Privatschulen weiterhin tief in die Tasche greifen.