Der Leiter des St. Galler Amts für Natur, Jagd und Fischerei ging zusammen mit einem Wildhüter auf eine mehrtägige Wolfsjagd in Russland. Das zuständige Volkswirtschaftsdepartement um Regierungsrat Beat Tinner genehmigte fünf Arbeitstage dafür, bezahlt haben die beiden ihre Reise selbst. Vier Wölfe wurden dabei erlegt.
«Unsensibles Verhalten»
Die umstrittene Reise sorgt für Kritik. Neben den Naturschutzverbänden ruft die Weiterbildungsreise auch die Politik auf den Plan. Die SP lässt auf Anfrage von Radio SRF verlauten: «Die SP Kanton St. Gallen teilt die Meinungen der Naturschutzverbände, dass der Lerneffekt dieser Reise kritisch zu sehen ist.» Zudem sei eine Einführung der Lappjagd-Methode, die der Amtsleiter und der Wildhüter in Russland anwendeten, in der Schweiz nicht sinnvoll.
«Im ersten Moment dachte ich, ich sei im falschen Film», sagte Meinrad Gschwend (Grüne), als er von den Medienberichten hörte. Gschwend ist Kantonsratsmitglied im St. Galler Parlament. Bei einem solch sensiblen Thema wie der Wolfsjagd hätten sich der Amtsleiter sowie sein Departementschef Beat Tinner «höchst unsensibel» verhalten. «Ich verstehe das echt nicht.»
Der zuständige Regierungsrat ist in der Pflicht.
Abgesehen von der umstrittenen Form der Lappjagd prangert Meinrad Gschwend das Reiseziel an. «Wenn man die Lappjagd genauer anschauen will, kann man das auch im näheren Ausland tun. Zum Beispiel in Italien», sagt Gschwend weiter. Dort sei die Situation vergleichbar mit der Schweiz. «Es wirkt wie ein privates Jagdvergnügen ohne Wissenschaftlichkeit. Das geht nicht.» Damit stützt das Parlamentsmitglied die Argumentation von Pro Natura St. Gallen.
Politische Vorstösse geplant
Dass das Volkswirtschaftsdepartement dazu noch fünf Arbeitstage für die Reise bewilligte, grenze an einen Skandal, sagt Gschwend. «Wir werden mit politischen Vorstössen kommen. Der zuständige Regierungsrat ist in der Pflicht, sich für dieses spezielle Vorgehen zu erklären.»
Auch Boris Tschirky, Fraktionspräsident der Mitte-Partei im Kantonsrat, kritisiert diese Reise in Zeiten des Krieges. Für ihn komme hinzu: «Wenn die sogenannte Bildungsreise für eine schweizweite Referenz herbeigezogen werden muss, kann der Kanton St. Gallen in die Bresche springen.»
SVP und FDP anderer Meinung
Sascha Schmid, Fraktionspräsident der SVP, sagt: «Auch wenn Russland möglicherweise nicht die Idealdestination war, begrüssen wir grundsätzlich, dass das zuständige Amt bei der Wolfsregulierung über den Tellerrand schaut.»
Gleich sieht es auch der FDP-Fraktionspräsident Christian Lippuner. Er traue dem Amtsleiter und seinem Wildhüter zu, dass es in erster Linie um eine fachliche Weiterbildung ging – in einem Land, das jahrhundertelange Erfahrung hat mit der Wolfsjagd: «Man fragt sich vielleicht, ob es nicht andere Länder gegeben hätte. Aber es war schlicht eine fachliche Frage. Ich glaube nicht, dass man damit ein politisches Signal geben wollte.»
In den nächsten Jahren wird man in der Schweiz neue Jagdansätze anwenden müssen.
Der zuständige Departementsvorsteher Beat Tinner erklärt: «Wir haben es auf ein Gesuch hin als sinnvoll erachtet, dass wir in der Praxis schauen, wie in anderen Ländern Wölfe reguliert werden. Und dass auch Jagdansätze angeschaut werden, die in der Schweiz nicht angewandt werden.» Da gehöre die Lappjagd dazu, da sie effizient sei.
Diese Methode sei also durchaus prüfenswert, findet Tinner. Alle von Wolfsregulierungen betroffenen Kantone hätten einen grossen personellen und finanziellen Aufwand betrieben. Tinner: «In den nächsten vier, fünf Jahren wird man in der Schweiz neue Jagdansätze anwenden müssen, davon sind wir überzeugt. Eine Lappjagd tagsüber könnte genauso sinnvoll sein wie die jetzige Jagd mit Nachtsichtgeräten.»