Tabea Rai politisiert im Berner Stadtparlament und ist zusätzlich auch ins Kantonsparlament eingezogen. Als Politikerin der Alternativen Linken eckt sie im Rat auch mal an. Doch Mitteilungen, die sie anonym erreichen, etwa über Social Media, haben teilweise einen ganz anderen Inhalt: Es sind diskriminierende Hassbotschaften.
Ich bin eine Frau, ich bin lesbisch, ich habe dunkle Haut, mich kann man auf viele Arten diskriminieren.
Vieles davon sei so hart, dass sie es lieber nicht öffentlich reproduzieren wolle, «aber es ist schon so, dass mir viele sagen, ich solle dahin zurückgehen, wo ich herkomme, mich auf meine Hautfarbe ansprechen oder finden, ich hätte nicht das Recht, mich an der Schweizer Politik zu beteiligen», sagt Tabea Rai.
Oft seien die Nachrichten rassistisch, aber nicht nur: «Ich bin eine Frau, ich bin lesbisch, ich habe dunkle Haut, mich kann man auf viele Arten diskriminieren.»
Das frühe Ende einer Politkarriere
Die Zürcher Kantonsrätin Sarah Akanji hat sich hauptsächlich aus diesem Grund dazu entschlossen, ihre Karriere als Parlamentarierin bereits nach einer Legislatur zu beenden. 2019 war sie mit einem Glanzresultat für die SP in den Kantonsrat gewählt worden.
Gegenüber der Zeitung «Landbote» erklärte Akanji, sie sei wiederholt rassistisch und sexistisch attackiert worden – in Briefen, E-Mails, aber auch persönlich: «Es ging bei den Angriffen nicht mehr um meine politische Arbeit, sondern um mich als Person.» Sie habe nun zu ihrem eigenen Schutz gehandelt und wolle sich auf ihr Studium in Gesellschaftswissenschaften konzentrieren.
Frauen besonders stark betroffen
Hatespeech ist ein bekanntes Phänomen. Viele Politikerinnen und Politiker aus allen Lagern sind betroffen. Politikwissenschaftlerin Stefanie Bailer von der Universität Basel beschäftigt sich intensiv mit dem Phänomen. Ihre Untersuchungen haben gezeigt, dass es in der Art der Angriffe deutliche Unterschiede gibt. Angriffe gegen Frauen seien viel häufiger persönlich, sexualisiert und beleidigend: «Wenn es junge Frauen sind und sie vielleicht noch einen Migrationshintergrund haben, kumuliert sich das.»
Dies würde Vertreterinnen von Minderheiten davon abhalten, den Weg in die Politik einzuschlagen, betont Bailer: «Das ist bedauerlich, denn gerade diese Personen würden wir gerne in die Politik holen, weil sie ganz besonders schlecht vertreten sind.»
Wir sind eine offene, respektvolle Gesellschaft und die anderen dürfen nicht zu laut werden.
Auch das Bundeshaus bilde die Diversität der Bevölkerung noch nicht genügend ab, findet Sibel Arslan, die für die Grünen im Nationalrat sitzt. Entsprechend müsse der Hass, den Politikerinnen und Politiker erfahren, bekämpft werden. Gefordert seien Politik, Justiz, aber auch die Gesellschaft. Arslan fordert, dass diese sich gegen Hass positioniert: «Die Gesellschaft muss sagen: Wir lassen das nicht mit uns machen. Wir sind eine offene, respektvolle Gesellschaft und die anderen dürfen nicht zu laut werden.»
Die Berner AL-Politikerin Tabea Rai hat sich bei einer Organisation Hilfe gegen die Hassbotschaften geholt. Ans Aufhören denkt sie nicht: «Der Fall von Sarah Akanji zeigt, dass Leute daran kaputtgehen oder keine Energie mehr haben. Ich habe im Moment die Energie noch und deshalb finde ich, ich muss dem standhalten.»