Pakiza Shabani sieht nicht unbedingt aus wie eine Lehrtochter, die eben erst ihre Ausbildung abgeschlossen hat; Shabani ist bereits 39 Jahre alt. Ihr Diplom als Hauswirtschafterin EFZ hat sie erst seit zwei Jahren in der Tasche. Nach der obligatorischen Schulzeit hatte sie keine Ausbildung angefangen. «Ich wusste nicht, welchen Beruf ich ausüben soll. Deshalb begann ich zu arbeiten, um Geld auf die Seite zu legen. Danach heiratete ich und gründete eine Familie, deshalb konnte ich nicht weitermachen.»
Schnell eigenes Geld verdienen; eine frühe Mutterschaft – zwei typische Gründe, warum Menschen in der Schweiz ohne Berufsausbildung dastehen. Es gibt aber auch noch viele andere Ursachen: Persönliche Krisen, die Jugendliche in der Zeit der Berufswahl durchleben, die Trennung der Eltern zum Beispiel, ein Todesfall in der Familie oder auch das Abrutschen in den Drogenkonsum.
Vielfach landen Menschen mit solchen Lebensläufen später bei der Sozialhilfe – mehr als die Hälfte der Erwachsenen, die Sozialhilfe beziehen, haben keinen Berufsabschluss.
Erfolgsprojekt in Basel
Aus diesem Grund will der Kanton Basel-Stadt älteren Sozialhilfebezügern Lehrabschlüsse ermöglichen. Konkret durch das Programm «Enter». «Ohne Ausbildung zu arbeiten, ist in der Schweiz inzwischen fast unmöglich geworden», sagt Leiter Silvan Surber.
Deshalb hätten Sozialhilfe und RAV erkannt, dass es notwendig sei, ein Angebot für Menschen zu bieten, damit diese eine Ausbildung machen und in die Arbeitswelt integriert werden könnten.
Von der Suche einer geeigneten Lehrstelle bis zum Abschluss würde man die Menschen begleiten, sagt Surber. Für viele sei dies eine grosse Herausforderung. «Es braucht viel Kraft und Mut, um eine solche Ausbildung anzugehen. Es funktioniert aber; wir haben eine hohe Abschlussquote.»
Seit 2014 gibt es das Programm «Enter» im Kanton Basel-Stadt. Dabei gewährt Basel-Stadt – im Gegensatz zu anderen Kantonen – auch älteren Lehrlingen über 25 Jahren Ausbildungsstipendien. Und dieses Finanzierungsmodell hat für Sozialhilfebezüger mehrere Vorteile.
Die Stipendien werden nicht von der Sozialhilfe bezahlt, sondern vom Basler Erziehungsdepartement, was insbesondere für Ausländerinnen und Ausländer von Vorteil ist. Ab einer gewissen Summe an ausbezahlten Unterstützungsgeldern von der Sozialhilfe kann ihnen sonst der Verlust der Aufenthaltsbewilligung drohen.
Vorbild für die Kinder
Pakiza Shabani arbeitet mittlerweile als ausgebildete Hauswirtschafterin in einem Basler Blindenheim. Sie hat es in den letzten Jahren geschafft, Lehre, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bekommen – ein grosser Effort, der sich für sie gelohnt habe. «Es hat sich vieles verändert, ich bin stolz auf mich selbst. Ich kann anderen aufzeigen, dass sich Ausbildung lohnt und man nicht viel falsch machen kann.»
Die beiden Kinder von Shabani befinden sich mittlerweile selber in Ausbildung. Dass sie als Mutter nun einen Lehrabschluss vorweisen und so ihren Kindern ein Vorbild sein könne, sei ihr wichtig. «Ich bin zu Hause eine strenge Mutter. Ich habe den Kindern stets gesagt: Ohne Lehre könnt ihr nicht ausziehen. Habt ihr einen Lehrabschluss, seid ihr frei.» Freiheit dank einer Berufsausbildung. Eine Freiheit, die sich Pakiza Shabani härter erarbeitet hat, als viele andere in diesem Land.