Er ist einer der populärsten Plätze in der Stadt St. Gallen: der Rote Platz mitten im Zentrum. Mit seinem charismatischen roten Teppich ist er weit über die Stadtgrenze hinaus bekannt. Verantwortlich für die Gestaltung war vor 18 Jahren die renommierte St. Galler Künstlerin Pipilotti Rist zusammen mit anderen Kunstschaffenden. Seither heisst er offiziell Raiffeisenplatz, weil die Bank dort ihren Hauptsitz hat.
An diesem Namen rüttelt jetzt ein Komitee rund um den St. Galler Alt-Ständerat Paul Rechsteiner. Es stösst sich am angeblich antisemitischen Hintergrund des Bankengründers Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Deshalb will das Komitee den Platz umbenennen und ihn einer jüdischen Flüchtlingshelferin widmen.
Vor zwei Jahren hat das Komitee die Stadt St. Gallen und die Raiffeisenbank in einem Brief aufgefordert, die Umbenennung des Platzes an die Hand zu nehmen. Weil seither nichts passiert sei, werde die Forderung jetzt öffentlich gemacht, sagte der ehemalige SP-Ständerat Paul Rechsteiner vor Ort. «Wir haben in St. Gallen eine Riesenchance, nach dem Paul-Grüningerplatz jetzt auch den Roten Platz würdig zu benennen», sagte Rechsteiner.
Neben Paul Rechsteiner gehören auch die beiden Ostschweizer Historiker Stefan Keller und Hans Fässler – auch bekannt als Kabarettist und politischer Aktivist – zum Komitee und ebenso die Platzgestalterin Pipilotti Rist. Es sei nun Zeit für eine Umbenennung, argumentierten sie.
Das Ziel des Komitees: Der Raiffeisenplatz soll möglichst rasch visuell mit einer Tafel, aber auch im Grundbuch, umbenannt werden. Realistischerweise geschehe dies bis spätestens Ende 2024.
Der Entscheid obliegt dem Stadtrat
Eigentümerin des Roten Platzes ist die politische Gemeinde St. Gallen. Abschliessend wird daher der St. Galler Stadtrat über diese Umbenennung entscheiden, der unlängst Ja gesagt hat zu einem Postulat, das Frauen im Stadtraum sichtbarer machen will.
Bevor der Stadtrat aber auf die Forderung eingehe, wolle er die geschichtliche Aufarbeitung abwarten, heisst es vom zuständigen Stadtrat Markus Buschor.
Im Zuge des anstehenden Firmenjubiläums ist die Raiffeisenbank daran, die Geschichte ihrer Gründung in der Schweiz zu untersuchen. Raiffeisen habe ein unabhängiges Gutachten in Auftrag gegeben, so Markus Buschor, Leiter der Direktion Planung und Bau. Sobald dieses vorliege, werde sich die Stadt zu einer allfälligen Umbenennung des Raiffeisenplatzes äussern. In diesem Sinne wolle der Stadtrat abwarten und «sorgfältig abwägen».
Der falsche Weg
Die Forderung des Komitees stösst insbesondere bei der SVP der Stadt St. Gallen auf Kritik. Eine Umbenennung des Platzes sei nicht angebracht, sagt Karin Winter-Dubs, SVP-Fraktionspräsidentin im St. Galler Stadtparlament. «Geschichte kann man nicht ausradieren, man kann sie aber erklären und daraus lernen», so Winter-Dubs auf Anfrage. Mit einer Umbenennung versuche man Geschehenes zu verstecken und dies sei der falsche Weg.