Der Nationalrat debattiert über Finanzhilfen an die familienergänzende Betreuung. Es geht um 770 Millionen Franken für die externe Kinderbetreuung. Damit sollen etwa Kita-Plätze günstiger werden. Das Ziel: Für Eltern soll es sich mehr lohnen, mehr zu arbeiten – insbesondere für die Mütter. Wirtschaftsprofessor Josef Zweimüller von der Universität Zürich ist dieser Frage in anderen Ländern nachgegangen. Er kommt zum Schluss: Mehr Kita-Subventionen führen nicht dazu, dass Mütter mehr arbeiten.
SRF News: Wie sieht die Erwerbssituation von Müttern und Vätern in der Schweiz aus?
Josef Zweimüller: Die Mutterschaft auf Dauer ist mit einer Schlechterstellung auf dem Arbeitsmarkt verbunden. Das wird oft als Child Penalty oder Einkommenseinbussen nach Mutterschaft bezeichnet. Familienpolitische Massnahmen konnten diese Child Penalty in der Vergangenheit vielleicht um ein, zwei Prozentpunkte reduzieren. Aber wir sind weit weg von einer Gleichstellung zwischen Vätern und Müttern auf dem Arbeitsmarkt.
Was sollte die Familienpolitik bewirken?
Wir sollten eine Familienpolitik machen, um näher an die Gleichstellung herankommen. Es sollte nicht nur das Erwerbspotenzial der Väter ausgeschöpft werden, sondern auch jenes der Mütter. Mit Mutterschaft kommt man im Durchschnitt auf ein Abstellgleis auf dem Arbeitsmarkt.
Familienergänzende Betreuung kann sich auch anders lohnen. Beispielsweise kann für die Kinder ein grosser Vorteil herausschauen.
Die Subventionierung von Kinderbetreuungsplätzen ist eine gute Idee. Es entlastet die Eltern in einer Zeit mit vielen Herausforderungen, auch finanziell. Das kann für die Entwicklung der Kinder einen positiven Effekt haben. Kinder in der Kita profitieren auch vom Kontakt mit anderen Kindern.
Studien zeigen, dass finanzielle Anreize häufig nicht die erwartete Wirkung erreichen.
Aber meine Einschätzung ist, dass diese Massnahme keinen substanziellen Effekt auf den Arbeitsmarkt oder die Pensen der Frauen hat. Studien zeigen, dass finanzielle Anreize häufig nicht die erwartete Wirkung erreichen.
Was hätte denn eine Wirkung?
In anderen Ländern ist es die Norm, dass sich Väter stärker an der Kinderbetreuung beteiligen. Es gibt familienfreundliche Arbeitsplätze, sodass sich auch Mütter stärker einbringen können. Das ist in der Schweiz oder generell in deutschsprachigen Ländern noch viel weniger stark verankert.
Eine Massnahme für mehr Gleichheit wäre ein Elternurlaub.
Ich glaube, eine clevere familienpolitische Massnahme für mehr Gleichheit wäre ein Elternurlaub – ein längerer Urlaub für Väter. Damit es auch finanziell gut möglich ist, dass sich Väter an der Betreuung von Kleinkindern mitbeteiligen.
Was können Arbeitgeber tun?
Es ist wichtig, dass sich die Einstellung generell ändert. Arbeitgeber sollten familienfreundliche Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. In der Personalpolitik der Firmen sollte klar sein, dass auch Mütter eine Chance haben, in der Hierarchie der Firma aufzusteigen – und dass nicht automatisch damit gerechnet wird, dass sie mit Kind eher Teilzeit arbeiten.
Kann die Erhöhung von Kita-Subventionen ein Stein des Anstosses für eine neue Familienpolitik sein?
Im Prinzip schon. Aber ich glaube, dass die Erwartungen zu hoch sind. Ich sehe keinen direkten Konnex, dass damit ein Umdenken in der Gesellschaft erreicht wird.
Es müsste zur Norm werden, dass sich Männer und Frauen die Betreuungslasten und die Einbussen auf dem Arbeitsmarkt gleichmässig aufteilen.
Denn es müsste zur Norm werden, dass sich Männer und Frauen die Betreuungslasten und die Einbussen auf dem Arbeitsmarkt gleichmässig aufteilen. Denn jetzt verzichten wir auf dieses grosse Arbeitskräftepotenzial von Müttern. Und davon müssen wir wegkommen.
Das Gespräch führte Noëmi Ackermann.