Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch will in den Bundesrat und brüskiert damit die Spitze seiner eigenen Partei. Denn die fordert für die Nachfolge von Simonetta Sommaruga ein reines Frauenticket.
Das Vorgehen der SP-Fraktions- und Parteileitung erachtet Jositsch als «diskriminierend», wie er in der «Arena» am Freitagabend erklärte: «Dass man jemanden aufgrund eines biologischen Merkmals ausschliesst, hat für mich nichts mit Gleichstellung zu tun.»
Jositsch verwies dabei auch auf das Diskriminierungsverbot in der Bundesverfassung. Ihm gehe es darum, dass – jenseits der Geschlechterfrage – die Fähigkeiten möglicher Kandidierender im Zentrum stehen: «Es wird nur über mein Geschlecht diskutiert und nicht, ob ich geeignet wäre, die Herausforderung anzunehmen.»
Diskriminierend oder nötig für Gleichstellung?
In der «Arena» traf Daniel Jositsch mit seinen Vorwürfen auf SP-Vizepräsident Jon Pult. Dieser verteidigte die Forderung der SP-Parteispitze als «begründete Ungleichbehandlung». Eine Massnahme, die in angemessener Weise dazu diene, tatsächliche Gleichstellung zu verwirklichen, sei per Gesetz nicht diskriminierend. «Heute sind die Frauen in der Landesregierung in der Minderheit», so Pult. Die SP sehe sich in der Verantwortung, die Vertretung der Frauen in der Exekutive sicherzustellen.
Kritik erntete Pult in der Sendung auch vonseiten der Mitte-Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger: «Dass Männer von einer Kandidatur ausgeschlossen werden, ist ein kapitaler Fehler, der der Gleichstellung nur schadet.» Die SP suggeriere damit, dass sich Frauen nur durchsetzen könnten, wenn die männliche Konkurrenz im Vorhinein ausgeschaltet sei.
Unterstützung erhielt das SP-Frauenticket derweil von Publikumsgast Claudia Brenner. «Ich bin wütend, dass wir noch immer auf die Gleichstellung warten. Es gab bis jetzt nur neun Bundesrätinnen.» Jositschs Bundesratsambitionen erteilte die Sozialarbeiterin aus Bern eine Absage. Aktuell gäbe es genügend fähige Frauen für die Nachfolge von Simonetta Sommaruga.
Die Chancengleichheit ist erreicht.
Die Diskussion rund um das Bundesratsticket der SP warf auch die Frage auf, ob es Massnahmen braucht, damit generell der Frauenanteil in der Politik steigt.
«Die Chancengleichheit ist erreicht», ist FDP-Nationalrätin Regine Sauter überzeugt, «es gibt keinen Grund, wieso eine Frau nicht für ein Amt kandidieren kann.»
Derweil betonte in dieser grundsätzlichen Debatte rund um «Frauen in der Politik» Mitte-Nationalrätin Andrea Gmür-Schönenberger, die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Politik stelle auch heute noch vor allem Frauen vor grosse Herausforderungen.
Lindgrens Bullerbü als Vorbild für die Schweiz
In puncto Vereinbarkeit von Familie und Beruf bemühte Publikumsgast Marianne Huber die Kinderbuchreihe «Wir Kinder aus Bullerbü» der schwedischen Autorin Astrid Lindgren: «Wir brauchen Bullerbü 2.0, einen Ort mit einem sozialen Netz und viel Erlebnis- und Beziehungsqualität», so die Rentnerin. Neben Eltern und Grosseltern sei für die Erziehung von Kindern auch das Vorhandensein von Institutionen wie Tagesschulen oder Kitas entscheidend. Hier habe die Schweiz Nachholbedarf.
SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr, deren Partei für den zurücktretenden Bundesrat Ueli Maurer aktuell ebenfalls eine Nachfolge sucht, konterte, die angestrebte Vereinbarkeit von Familie und Beruf dürfe nicht dazu führen, dass Kinder verstaatlicht werden. «Es soll auch in Ordnung sein, wenn eine junge Mutter zu Hause die Betreuung übernehmen möchte.» Sie könne vor diesem Hintergrund nicht verstehen, dass gewisse Exponentinnen und Exponenten der SP aktuell eine junge Mutter als Nachfolgerin von Simonetta Sommaruga fordern würden.
Die «Arena» vom Freitagabend zeigte: Die anstehenden Bundesratswahlen vom 7. Dezember dürften weiter für Gesprächsstoff sorgen. Die SVP wird demnächst das definitive Bundesratsticket beschliessen. Und auch die SP-Fraktion wird bald über die Kriterien ihres Tickets befinden. Offen ist, ob Daniel Jositsch als Kandidat zugelassen wird oder es sich, wie von der Parteispitze geplant, um ein reines Frauenticket handeln wird.