Der Bundesrat vollzieht in Sachen Energiepolitik eine Kehrtwende: Er will das Bauverbot für neue Kernkraftwerke aufheben – als Gegenvorschlag zur Initiative «Blackout stoppen». Hinter der Initiative steht die Vereinigung Energie Club Schweiz. Sie will die Energiesicherheit der Schweiz in der Verfassung verankern und fordert neue KKW.
Dass der Bundesrat letzteres in seinem Gegenvorschlag aufnehmen möchte, begrüsst Vanessa Meury, die Präsidentin von Energie Club Schweiz. Dennoch betont sie in der «Arena»: «Es gibt noch weitere wesentliche Punkte in unserer Initiative, die der Gegenvorschlag nicht berücksichtigt. Zum Beispiel die Frage, wer für die Stromversorgungssicherheit verantwortlich ist.» Ob der Energie Club Schweiz die Initiative zurückziehen wird, lässt Meury deshalb offen.
Streit um Gegenvorschlag
SP und Mitte kritisieren das Vorgehen des Bundesrats. Es sei unredlich, einen Volksentscheid auf diesem Weg einfach zu kippen, waren sich Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder und SP-Vizepräsident Jon Pult einig. 2017 sagte die Schweizer Stimmbevölkerung bei der Abstimmung über die Energiestrategie 2050 Ja zum Atomausstieg. «Was der Bundesrat jetzt gemacht hat, ist weder klug noch opportun», kritisiert Pult.
SVP-Nationalrat Michael Graber befürwortet den Bundesratsentscheid, weil die Ausgangslage heute ganz anders sei: «Die Energiestrategie hat nicht vorgesehen, dass wir eine vollständige Dekarbonisierung anstreben.» Für Graber ist klar, dass es keine sichere Stromversorgung ohne neue Kernkraftwerke gibt: «Was wir brauchen, ist ein Atomexpress.» Der SP-Vizepräsident kontert: «Dieser Plan B ist ein Luftschloss.»
Gefährdet die AKW-Debatte die Erneuerbaren?
Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müsse man «das Visier» aufmachen für alle Technologien, ist FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher überzeugt. Auf der Gegenseite ist man hingegen sicher, dass das auch mit Strom aus Erneuerbaren Energien geht. Durch die Debatte um neue AKW würde der Ausbau allerdings blockiert, argumentiert Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder.
Für die AKW-Gegnerinnen und -Gegner ist klar: Der Bau neuer Kraftwerke würde viel zu lange dauern und wäre zu teuer. Auch das Sicherheitsrisiko wäre zu gross. Die Vertreterinnen und Vertreter aus der SVP und der FDP betonen hingegen, nur KKW lieferten die notwendige Bandenergie und würden die Versorgungssicherheit sicherstellen, ohne das Netto-Null-Ziel zu gefährden.
Gefälschte Unterschriften geben zu reden
Kürzlich deckte eine Recherche der Tamedia-Zeitungen auf, dass kommerzielle Sammelunternehmen tausendfach Unterschriften für Initiativen gefälscht haben. Betroffen sind neben vielen weiteren auch die «Stopp-Blackout-Initiative». Mit-Initiantin Meury sieht darin allerdings kein Problem, da über 125’000 vom Komitee gesammelte Unterschriften beglaubigt und von der Bundeskanzlei überprüft worden sind.
Dennoch ist für die meisten «Arena»-Gäste klar, dass das System seine Glaubwürdigkeit zurückgewinnen müsse. SP-Vize Jon Pult und die Co-Präsidentin der Jungen Grünen aus dem Kanton Bern, Gioia Benninger, fordern darum ein Verbot des gewerblichen Unterschriftensammelns. So weit wollen die anderen «Arena»-Gäste nicht gehen. SVP-Nationalrat Michael Graber findet sogar: «Dieser Fall zeigt, dass das System funktioniert.» Schliesslich sei der Betrug aufgeflogen und es werde jetzt ermittelt.
Der Bundesrat teilte am Freitag mit, es würden keine belastbaren Beweise dafür vorliegen, dass Volksinitiativen nur dank gefälschter Unterschriften zustande gekommen seien.