Seit dem Frühling 2022 traf sich die Schweiz für zahlreiche sogenannte Sondierungsgespräche mit der EU. Die Ergebnisse der Gespräche sollen Grundlage für neue Verhandlungen sein. Diese Woche hat der Bundesrat die Sondierungsrunden offiziell für beendet erklärt und teilte mit, er habe ein Verhandlungsmandat in Auftrag gegeben.
Die Gewerkschaften kritisieren den Bundesrat noch bevor überhaupt verhandelt wird. Der Grund: Die Zugeständnisse, die der Bundesrat in den Gesprächen gemacht habe, würden zu einem Abbau beim Lohnschutz führen. Nico Lutz, Geschäftsführungsmitglied der Unia, sagte: «Es ist wichtig, dass wir kontrollieren können, ob die Schweizer Lohnschutzbestimmungen eingehalten werden. Stand jetzt gibt es von Seiten Bundesrat null Garantie, dass wir die Instrumente für den Lohnschutz sicherstellen können.»
Wir haben noch kein Verhandlungsresultat und es macht keinen Sinn, bereits jetzt Position zu beziehen und einander ‹auf die Kappe› zu geben.
Sie verstehe die Befürchtung der Gewerkschaften, meinte SP-Ständerätin Eva Herzog, «aber den Zeitpunkt kann ich nicht nachvollziehen». Es habe im Bereich Lohnschutz bereits positive Signale gegeben und Fakt sei: «Wir haben noch kein Verhandlungsresultat und es macht keinen Sinn, bereits jetzt Positionen zu beziehen und einander «auf die Kappe» zu geben.»
Die Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter hatte wenig Verständnis für die Kritik der Gewerkschaften: «Sie bekämpfen den bilateralen Weg der Schweiz mit der EU wegen «Peanuts» wie beispielsweise der Spesenregelung.» Schlussendlich würden sie das EU-Dossier benutzen, um ihre Forderungen innenpolitisch durchzusetzen, war Schneider überzeugt.
«Die Schweiz gibt ihre Souveränität auf»
Kritische Worte zum Vorgehen des Bundesrats in Sachen Europapolitik gab es auch von rechts. Der SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi sieht bereits «das Ende der Bilateralen». Das Problem sei, so Aeschi, «dass wir mit einem solchen Abkommen im Bereich der Personenfreizügigkeit noch mehr Kompetenzen an die EU abgeben würden.» Bereits jetzt würden zu viele Personen in die Schweiz einwandern.
Der FDP-Ständerat Damian Müller entgegnete: «Wir brauchen dringend qualifizierte Arbeitskräfte und Immigration aus der EU.» Denn die Schweizer Gesellschaft werde immer älter und es brauche qualifizierte Arbeitskräfte in der Wirtschaft. Die Schweiz brauche ein gutes Abkommen mit der EU «und ich glaube wir haben jetzt nach den Sondierungsgesprächen eine gute Grundlage für ein Verhandlungsmandat», bekräftigte Müller.
Für hitzige Debatten sorgte die Frage nach der Übernahme von EU-Recht durch die Schweiz. Thomas Aeschi sprach in diesem Zusammenhang von einem «Unterwerfungsvertrag»: «Die Schweiz würde sich der EU unterordnen und sich verpflichten, EU-Recht automatisch zu übernehmen», so Aeschi.
Elisabeth Schneider-Schneiter entgegnete: «Die SVP spricht immer von einer automatischen Rechtsübernahme, aber das stimmt so nicht.» Vorgesehen sei eine dynamische Rechtsübernahme, welche die demokratischen Instrumente der Schweiz berücksichtige.
Trotzdem, sagte Aeschi, würde in Streitfragen schlussendlich der Europäische Gerichtshof über die Auslegung des Rechts entscheiden «und das verletzt die Souveränität der Schweiz.» Für Eva Herzog ist das kein Problem, denn es gebe ein paritätisches Schiedsgericht, wo die Schweiz mit am Tisch sitze.
Bevor die Schweiz in Brüssel am Verhandlungstisch sitzt, dürften nun erstmal ein paar Monate vergehen. Die parlamentarischen Kommissionen und die Kantone werden voraussichtlich Anfang nächsten Jahr konsultiert. Die Verhandlungen werden wohl frühestens im Frühling 2024 starten.