«Die Schweiz liegt heute in Sachen Europapolitik wie ein Käfer auf dem Rücken und zappelt», sagte Sanija Ameti, Co-Präsidentin der Operation Libero in der «Arena» am Freitagabend. Damit unser Land europapolitisch wieder handlungsfähig werde, müsse es realisieren, dass es auf Zusammenarbeit angewiesen sei. «Wenn die Schweiz Energie braucht, die Patientenversorgung sicherstellen oder den Klimawandel bekämpfen will, muss sie Abkommen schliessen können.» Das sei heute nicht mehr möglich, weil es keine institutionelle Lösung gebe.
Rund anderthalb Jahre nach dem Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen mit der EU sind die Positionen verhärtet. Ein Konsens liess sich – auch innenpolitisch – bisher nicht finden. In der «Arena» debattierten die Politikerinnen und Politiker, wie es nun weitergehen soll.
Bilateraler Weg oder institutionelle Lösung?
Ameti plädierte für die Europa-Initiative, die sich zum Ziel gesetzt habe, die institutionellen Fragen zu beantworten.
Diese Initiative der Operation Libero sei ein «Etikettenschwindel», ist hingegen Stephan Rietiker, designierter Präsident von Pro Schweiz, überzeugt: «Die Schweiz soll damit über den Schleichweg in die EU integriert werden.»
Die bilateralen Verträge sind intakt.
Dagegen wehrte sich Rietiker: «In der EU ist die Inflation und die Arbeitslosenquote viel höher als in der Schweiz, und in den Regierungen sind Zauberlehrlinge am Werk.» Unbestritten seien die bilateralen Verträge. «Die Bilateralen sind intakt, und solange sie die Souveränität der Schweiz nicht tangieren, können sie weiterentwickelt werden.»
Auch FDP-Nationalrätin Petra Gössi sieht den geeigneten Weg, um das Verhältnis der Schweiz mit der EU zu regeln, in einzelnen bilateralen Abkommen. Regelungen zu institutionellen Fragen sollen dort verankert werden. Dadurch könne die Schweiz ihr Selbstverständnis bewahren.
Jetzt, da wieder Gespräche mit der EU geführt würden, sei man auf gutem Weg, eine Lösung zu finden, so Gössi. «Das Problem ist vor allem, dass wir uns innenpolitisch nicht einig sind, was wir genau wollen», sagte Gössi. Die Kritik richtete sich auch an die Europa-Initiative, die zwar ein Ziel habe, aber nicht aufzeige, wie dieses erreicht werden soll.
«Die Bilateralen waren immer nur eine Übergangslösung», entgegnete Ameti. Nun komme man nicht mehr um die institutionellen Fragen herum. Dabei spiele es keine Rolle, ob diese in einem Rahmenabkommen oder in sektoriellen Abkommen beantwortet würden.
Zugang zum Binnenmarkt als zentraler Kern
«Die Schweiz meint, sie müsse nur wissen, was sie wolle – sie müsse quasi nur mit sich selber verhandeln, und dann würde Brüssel schon unterzeichnen», kritisierte SP-Nationalrat Eric Nussbaumer. Doch seit 15 Jahren sei klar, dass der bilaterale Weg nicht mehr weitergehe. «Wir müssen zurück an den Verhandlungstisch.»
Es ist im tiefsten Interesse unseres Landes, dass wir weiterhin Zugang zum Binnenmarkt haben.
Die Idee der absoluten Unabhängigkeit sei aus der Zeit gefallen. «Wir werden immer in einer europäischen Staatengemeinschaft verankert sein», so Nussbaumer. Die derzeitige Blockade schade dem Arbeits- und Forschungsstandort Schweiz. «Es ist im tiefsten Interesse unseres Landes, dass wir weiterhin Zugang zum Binnenmarkt haben.»
«Wir müssen nicht im Büsserhemd nach Brüssel», entgegnete Rietiker. Die Schweiz könne auf Augenhöhe mit der EU diskutieren und dürfe sich nicht anbiedern. «Die EU ist wichtig für uns, aber es gibt auch andere Handelspartner.» So sei etwa der grösste Exportpartner der Schweiz die USA, ebenso sollten asiatische Märkte vermehrt erschlossen werden.
Währenddessen sind die Schweiz und die Europäische Union im Gespräch für allfällige Verhandlungen um ein neues Rahmenabkommen. Eine nächste Sondierungsrunde wurde für den 12. Oktober angesagt.