Sobald in der Schweiz zwei Menschen heiraten, werden sie gemeinsam besteuert. In nicht wenigen Fällen zahlt dann das verheiratete Paar mehr Steuern, als wenn es nicht verheiratet wäre.
Über die Forderung, dass diese sogenannte Heiratsstrafe abgeschafft gehört, ist man sich in der Politik über Parteigrenzen hinweg einig. Die Einigkeit hört allerdings bei der Frage auf, wie das Problem zu lösen ist.
Einfluss der Besteuerung auf Arbeitstätigkeit
Mit einer Initiative schlagen die FDP-Frauen nun vor, die Individualbesteuerung einzuführen. Hierdurch würden neu nicht nur ledige Personen, sondern auch Ehepartner individuell besteuert. Die Initiative, welche auch von linken Kreisen unterstützt wird, soll vor allem Anreize schaffen, damit mehr Frauen erwerbstätig sein können.
«Unser heutiges Steuersystem ist auf die Ein-Ernährer-Familie ausgerichtet», sagte FDP-Nationalrätin Christa Markwalder am Freitagabend in der «Arena». Das traditionelle Familienmodell, bei dem der Mann das Einkommen einbringt und die Frau zu Hause den Haushalt und die Kinderbetreuung übernimmt, werde heute vom Staat begünstigt.
Unser heutiges Steuersystem ist auf die Ein-Ernährer-Familie ausgerichtet.
Häufig lohne es sich für eine Familie mit Kindern finanziell nicht, dass beide Elternteile arbeiten. Der Grund: Mit dem höheren Einkommen würden die Steuern überdurchschnittlich steigen und in vielen Fällen hätte das Paar hohe Kosten für einen Kitaplatz zu tragen. Markwalder bilanzierte: «Das ist nicht mehr zeitgemäss. Es gibt heute viele gut ausgebildete Frauen, die vermehrt erwerbstätig sein möchten.»
«Wir haben als Gesellschaft ein grosses Interesse daran, dass Männer und Frauen berufstätig bleiben können, auch wenn sie familiäre Pflichten haben», sagte SP-Nationalrätin Barbara Gysi.
Männer und Frauen sollen berufstätig bleiben können, auch wenn sie familiäre Pflichten haben.
Auch heute noch sei es oft die Frau, die zu Hause bleibt und die Kinderbetreuung übernimmt, obgleich sie vielleicht gerne erwerbstätig wäre. Das sei ein Widerspruch: «Wir bilden Frauen aus, aber dann bleiben sie nicht im Beruf.» Indem mit der Individualbesteuerung Frauen steuerlich animiert werden, vermehrt erwerbstätig zu sein, könne man dem Fachkräftemangel entgegenwirken.
Steuermodell bleibt Thema
SVP-Nationalrätin Monika Rüegger brach in der «Arena» eine Lanze für das traditionelle Familienmodell: «Der Staat darf sich auf keinen Fall in die Wahl des Familienmodells einmischen, wie dies mit der Individualbesteuerung der Fall wäre. Wir müssen diejenigen Familien unterstützen, die ihre Verantwortung wahrnehmen und ihre Kinder selber betreuen.»
Man dürfe nicht vergessen, dass es viele Mütter gebe, die sich bewusst für die Familienarbeit entscheiden. «Diese Frauen würden mit der Individualbesteuerung bestraft. Das ist familienfeindlich», so Rüegger.
Wir müssen diejenigen Familien unterstützen, die ihre Verantwortung wahrnehmen und ihre Kinder selber betreuen.
Die Frage, wie das Steuermodell in Zukunft aussehen soll, wird die Schweizer Politik noch einige Zeit beschäftigen. Nebst der Initiative der FDP-Frauen liegen vonseiten des Bundesrats konkrete Umsetzungsvorschläge zur Individualbesteuerung auf dem Tisch. Diese will er Ende Jahr in die Vernehmlassung schicken. Wie sich in der Arena exemplarisch zeigte, werden bei den anstehenden Diskussionen wohl ganz unterschiedliche Familienwelten aufeinanderprallen.