Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. So viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Das stellt auch die Schweiz vor Herausforderungen. Nach knapp zwei Monaten im Amt überraschte Justizminister Beat Jans jetzt mit konkreten Vorschlägen. Oberstes Ziel: Weniger Asylgesuche von Menschen, die kaum eine Chance auf Asylanerkennung haben. Das betrifft vorwiegend Menschen aus Algerien, Marokko und Tunesien. Jans schlägt unter anderem vor, dass ihre Asylgesuche schneller geprüft werden, in sogenannten 24-Stunden-Verfahren.
Dieser neue, härtere Ton von einem SP-Bundesrat in der Asylpolitik überrascht Alicia Giraudel, Asylexpertin von Amnesty International Schweiz. «Die Pläne werden als Wunderlösung präsentiert, ohne die Risiken dieser Abschreckungsmassnahmen zu erwähnen.» Die SP-Ständerätin Franziska Roth steht klar hinter ihrem Bundesrat und ist zufrieden mit seinem Auftritt: «Es ist die richtige Stossrichtung, auch wenn ich in gewissen Punkten anderer Meinung bin.» Giraudel hingegen sieht die Rechte von Asylsuchenden in Gefahr. Die Situation einer Person könne in so kurzer Zeit kaum ausreichend abgeklärt werden, sagt die Asyl- und Menschenrechtsexpertin in der «Arena». «Das ist der Anfang der Aushöhlung des Asylrechts.»
24-Stunden-Verfahren laut SEM unproblematisch
Dieser Kritik widerspricht der Leiter des Direktionsbereichs Asyl beim Staatssekretariat für Migration (SEM), Claudio Martelli, vehement. «Es geht nicht um Abschreckung, sondern um ein klares Signal», betont er. Giraudels Bedenken, dass schutzbedürftige Asylsuchende durch die Maschen fallen könnten, teilt er nicht: «Bei den 24-Stunden-Verfahren werden die gleichen Verfahrensschritte durchgeführt wie bei den regulären Asylverfahren. Nur die Wartezeiten zwischen den Schritten werden verkürzt.»
Genau da liegt für die FDP-Staatsrätin Isabelle Moret aus dem Kanton Waadt der Vorteil von beschleunigten Verfahren: «Menschen, die kein Asyl bekommen, können schneller ausgewiesen werden und so gibt es mehr Platz für diejenigen, die den Schutz wirklich brauchen.» Für die Kantone sei das wichtig, da sie teils grosse Engpässe bei der Unterbringung von Asylsuchenden hätten. Die Problematik ist auch beim SEM bekannt. Gemäss Prognosen werde die Anzahl Asylsuchender ab dem Sommer stark zunehmen, sagt der stellvertretende SEM-Direktor Martelli und appelliert an die Politik: «Nur weil die Asylzahlen runtergehen, muss man die Ressourcen nicht gleich zusammenstreichen.» FDP-Staatsrätin Moret wiederum erwartet eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen und vor allem mehr Transparenz. Die Schweiz befinde sich in einer beispiellosen Migrationskrise und darum brauche es eine Taskforce, die Krisenmassnahmen erarbeiten könne.
Nur weil die Asylzahlen runtergehen muss man die Ressourcen nicht gleich zusammenstreichen.
Fühlt sich die Bevölkerung noch sicher?
«Migrationskrise» heisst auf der einen, «Aufnahmekrise» auf der anderen Seite. Einig sind sich die Gäste allerdings in einem Thema: Die Spannung in der Bevölkerung nimmt zu. So betont etwa die SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel: «Die Fälle von sexuellen Übergriffen und Diebstählen häufen sich und viele Menschen fühlen sich nicht mehr sicher.» Da dürfe man nicht einfach wegschauen, so die Zürcher SVP-Nationalrätin. Erst kürzlich kündigte die Neuenburger Kantonsregierung an, sie werde die Vereinbarung über das Bundesasylzentrum frühzeitig kündigen, wenn es keine Verbesserungen gebe. Grund dafür waren anhaltende Beschwerden aus der Bevölkerung über Diebstähle und Einbrüche.
Das subjektive Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung nimmt ab.
«Das subjektive Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung nimmt ab», stellt auch die SP-Ständerätin Franziska Roth fest. Die Politik müsse hinschauen, Zahlen aufzeigen und Probleme benennen, so Roth. Auch beim SEM erhalte man Rückmeldungen aus der Bevölkerung, sagt Vizedirektor Martelli in der «Arena»: «Wir nehmen das sehr ernst.» Auf das zunehmende Unsicherheitsgefühl reagiere man mit einem «Strauss von Massnahmen». So zum Beispiel mehr Sicherheitspersonal in und um Bundesasylzentren und mit Prävention und Integration.
Zum Schluss der Sendung steht für die «Arena»-Gäste fest: Die Herausforderungen im Asylwesen können nur gemeistert werden, wenn die Zusammenarbeit funktioniert. Über konkrete Massnahmen herrscht derweil mehr Uneinigkeit.