Die Schweiz hat sich bei der Energiepolitik hohe Ziele gesteckt: 2017 sagte das Stimmvolk Ja zum schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie. Im Juni 2023 folgte dann das Ja zum Klimaschutzgesetz. Dieses sieht vor, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral wird. Darum wollen Parlament und Bundesrat die Stromproduktion mit erneuerbaren Energien rasch ausbauen.
Christoph Brand, CEO des Stromkonzerns Axpo, sieht diesen Ausbau aktuell kritisch: «Wenn wir so weitermachen wie bisher, verfehlen wir nicht nur die Energiewende, sondern es wird uns auch der Strom ausgehen.» Deshalb brauche es neue Projekte, bei denen ein reger Austausch mit der lokalen Bevölkerung stattfindet, betont Brand im Interview mit «Arena»-Moderator Sandro Brotz. «Da müssen wir auch selbstkritisch sein. Wir hätten da mehr machen können.»
«Einsprache ist die fünfte Landessprache»
Diese Woche hat die Stimmbevölkerung der Bündner Gemeinde Surses einem geplanten Solarprojekt mit über 68 Prozent Nein-Stimmen eine deutliche Absage erteilt. Der hochalpine Solarpark hätte auf einer Fläche von 66.5 Hektaren Strom für über 20'000 Haushalte produzieren sollen.
Tanja Amacher ist Geschäftsführerin von Tourismus Savognin und hat sich gegen den Bau der Anlage ausgesprochen. «Das Problem ist der Standort», so Amacher. Auch wenn die Solaranlage im bereits erschlossenen Skigebiet hätte gebaut werden sollen, dürfe man den Sommertourismus nicht vergessen. Das Tal sei eine «Oase» für die Gäste und die Einheimischen. «Das ist sehr emotional.»
Die Skepsis in der Bevölkerung gegenüber hochalpinen Solarprojekten ist nicht von der Hand zu weisen. So lehnte auch die Stimmbevölkerung im Wallis letzten Herbst ein entsprechendes Dekret ab.
SP-Nationalrätin und Vizepräsidentin von Swissolar Gabriela Suter zeigt sich dennoch zuversichtlich: «Die Energiewende läuft und der Solarexpress rollt weiterhin.» Bei einem Grossteil der geplanten Projekte habe es keinerlei Gegenwind gegeben, betont Suter mehrmals.
Der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen sieht den Solarexpress derzeit eher stocken. Den Grund dafür verortet er auch bei den Umweltverbänden, die bei Projekten immer wieder Einsprache erheben würden. «Die fünfte Landessprache der Schweiz ist die Einsprache.»
Ein Referendum und zwei Initiativen
Damit verpasste Wasserfallen nicht nur seiner Kontrahentin von links einen Seitenhieb, sondern zielte wohl auch auf Elias Vogt, Präsident vom Verband Freie Landschaft Schweiz. Dieser wehrt sich mit zwei neuen Initiativen gegen Windparks, die auch in Waldgebieten gebaut würden und damit eine Gefahr für die Biodiversität seien. «Die Schweiz ist schon heute sehr dicht besiedelt und die Natur stark unter Druck.» Auch deshalb hat sein Verband das Referendum gegen den sogenannten Mantelerlass unterstützt.
Der Naturschutz gerate durch den Mantelerlass insgesamt in Gefahr, so Vogt weiter. Diesem Votum widerspricht die Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder vehement: «Mit dem Mantelerlass stellt man die Produktion nicht über den Landschaftsschutz, sondern es werden Eignungsgebiete definiert, in denen die Produktion ein grösseres Gewicht haben soll.» Das bedeute aber auch, so die Vizepräsidentin der Vereinigung zur Förderung der Windenergie, dass es Gebiete geben werde, in denen kein Strom produziert werde.
Kritik am Mantelerlass gab es auch vom Walliser SVP-Nationalrat Michael Graber. Der Titel des Gesetzes sei für ihn bereits ein Widerspruch in sich. Denn eine sichere Stromversorgung mit Erneuerbaren Energien «ist, Stand jetzt, technisch nicht möglich».
Der politische Kampf um den Mantelerlass dürfte bald nochmal von vorne losgehen. Im Juni entscheidet die Stimmbevölkerung darüber.