Ein Waffenstillstand in der Russland-Ukraine-Krise scheint in weiter Ferne. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski appellierte wiederholt an den Westen, sein Land zu unterstützen und mehr Druck auf Wladimir Putin auszuüben.
Die Schweiz hat die EU-Sanktionen nun zwar übernommen, doch diese würden den russischen Aggressor nicht sehr schmerzen, sagte FDP-Vizepräsident Andri Silberschmidt in der «Arena» am Freitagabend. «Wenn wir es wirklich ernst meinen, müssen wir den Gashahn zudrehen.» Seine Partei fordere seit Beginn des Kriegs die härtesten Massnahmen, um Putin von seinem Kurs abzubringen. «Die FDP ist der Meinung, dass kein einziger Franken zu Putin und seinen mörderischen Kollegen fliessen darf», so Silberschmidt.
Allerdings kann die Schweiz russisches Gas und Öl nicht im Alleingang boykottieren, sie importiert die Rohstoffe nicht direkt von Russland, sondern über andere Länder wie etwa Deutschland. «Das ist ein Entscheid, den die Europäische Union treffen muss», so Silberschmidt. Doch die Geldflüsse zu stoppen sei das effektivste Mittel gegen Putin. Das Ziel dürfe dabei kein «Paukenschlag gegen die russische Bevölkerung» sein, sondern soll den russischen Präsidenten und seinen vertrauten Kreis «finanziell austrocknen».
Der Bundesrat sei bisher auch zu wenig energisch und engagiert an die Umsetzung der bereits beschlossenen Sanktionen herangegangen, sagte Jon Pult, Vize-Präsident der SP. Insbesondere das konkrete Vorgehen beim Einfrieren der Vermögen der sanktionierten russischen Oligarchen habe zu Verwirrung geführt.
«Wir haben viele Schlupflöcher in unserem Recht, die es erschweren, das Geld aufzuspüren», sagte Pult. Wir bräuchten «Glasnost» auf unserem Finanz- und Wirtschaftsplatz, also umfassende Transparenz. Er forderte deshalb eine Taskforce zur konsequenten Umsetzung der Sanktionen – eine Idee, die in der Runde nur wenig Anklang fand. So fand etwa Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, dass mit einer externen Taskforce lediglich der Bundesrat aus der Pflicht genommen würde.
Die Abhängigkeit der Schweiz von Staaten, die keine Demokratien sind, ist ein wichtiger Grund, die Energiewende zu vollziehen.
Auch Grüne-Nationalrätin Regula Rytz forderte mehr Transparenz. Wegen der intensiven Wirtschaftsbeziehungen mit Russland habe die Schweiz eine grosse Verantwortung. Die enge Verflechtung zeigt sich beim Rohstoffhandel, 80 Prozent des russischen Öls und Gases laufen über die Schweiz. Die Grünen hätten einen Vorstoss eingereicht für eine Aufsichtsbehörde, die den Rohstoffmarkt überwache und reguliere.
Silberschmidt warf Rytz vor, dass die Grünen den Krieg missbrauchen würden, «um ihr Parteiprogramm aus der Schublade zu nehmen und im Schnellverfahren umzusetzen». Dass die Antwort der Grünen auf den Krieg mehr Bürokratie sei, sei doch etwas beschämend. Rytz entgegnete, der Krieg richte einen Scheinwerfer auf ein bereits bestehendes Problem. «Die Abhängigkeit der Schweiz von Staaten, die keine Demokratien sind, die das Völkerrecht verletzen, ist nebst dem Klimawandel ein wichtiger Grund dafür, dass wir die Energiewende vollziehen müssen», sagte Rytz.
Verschiedenste Reaktionen auf den gestiegenen Benzinpreis
Der Boykott von russischem Öl und Gas hätte direkte Folgen für die Schweiz. Zum einen steht dabei die Versorgungssicherheit im Zentrum. Insbesondere in den Wintermonaten ist die Schweiz stark abhängig von russischem Gas. Zum anderen würden die Energiepreise steigen. In der Schweiz könne man sich das wohl leisten, aber in den Drittweltländern würde das massive Auswirkungen haben, dessen müsse man sich bewusst sein, sagte Silberschmidt.
Bereits jetzt ist der Preis für Benzin in der Schweiz in die Höhe geschnellt – ein Liter kostet derzeit deutlich über zwei Franken. Die Meinungen darüber, wie dieser Preissteigerung begegnet werden soll, gingen in der Sendung weit auseinander.
Die Grünen wollen die ärmeren Haushalte durch Verbilligung der Krankenkassenprämien entlasten. Silberschmidt sieht darin die Gefahr einer Zweiklassengesellschaft. Er forderte, dass die Abgabe für alle Autofahrerinnen und Autofahrer gesenkt wird. Der Staat solle nicht aufgrund des Kriegs profitieren. Pult hingegen verortet das grösste Problem nicht beim Benzin, sondern beim Heizen. Hierbei soll die Bevölkerung gezielt unterstützt werden.
Wir müssen noch etwas solidarischer sein.
Die Parteivertreterinnen und -vertreter in der Sendung waren sich einig, dass man vom russischen Gas wegkommen und den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben muss. Regula Rytz sieht enormes Potential in der Solarenergie, aber auch bei der Sanierung von Häusern und beim Heizungsersatz soll investiert werden.
Während die SVP und die FDP auch von neuen Kernkraftwerken sprechen, glaubt Schneider-Schneiter, dass der Atomstrom der heutigen Generation das Problem nicht löse. Sie bemängelte aber auch den «Widerstand von Links», etwa von Umweltschutzverbänden, bei der Realisierung von Projekten und plädierte dafür, dass die Parteien nun zusammenhalten. «Wir müssen noch etwas solidarischer sein. Vielleicht werden wir es im Portemonnaie spüren. Aber die Schweizerinnen und Schweizer sind bereit mehr zu leisten, um für die Menschen in der Ukraine eine Lösung zu finden», so Schneider-Schneiter.