Edith Müller und ihr Mann führen einen Eselhof in Grasswil im Oberaargau. Vier kleine und ein grosser Esel leben hier. «Der Esel in der Schweiz hat wirklich keinen Stellenwert, weil er als stures Tier angeschaut wird», meint Edith Müller.
Dabei seien Esel höchst sensible Tiere, die beispielsweise spürten, wenn ein Hang ins Rutschen gerate. Stures Stehenbleiben könne dann überlebenswichtig sein, erklärt Müller.
Weil Esel nicht wirklich verstanden würden, sei ihr Preis auch sehr tief. «Heute können Sie Esel für 300 bis 400 Franken kaufen.» Dieser Preis sei problematisch, denn, wenn ein Esel krank werde, gingen viele Besitzer nicht zum Tierarzt, sondern direkt zum Metzger.
Den korrekten Preis eines Esels zu berechnen, sei aber schwierig, erklärt Daniel Müller. Er ist Umweltökonom am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien in Halle.
Die Wissenschaft könne den Wert ganzer Ökosysteme, beispielsweise eines Waldes, grob bestimmen, nicht aber einem einzelnen Tier ein Preisschild anhängen. «Bei keiner Art weiss man eigentlich genau, was passiert, wenn diese Art im Ökosystem fehlt. Allerdings wissen wir auch immer besser, dass alle Arten zentrale Bestandteile von biologischer Vielfalt sind.»
Bewusstsein für Naturschutz wächst
Die Tatsache, dass Tiere wie der Esel, aber auch Pflanzen viel zu tiefe oder gar keine Preise haben, nähmen derzeit immer mehr Banken und Versicherungen wahr, sagt Sabine Döbeli, die Geschäftsführerin des Verbands Swiss Sustainable Finance.
Der Verband setzt sich für einen nachhaltigen Schweizer Finanzplatz ein: «Bis anhin hat es sich kaum finanziell ausgewirkt, wenn ein Unternehmen die Natur geplündert hat.
Ich glaube aber, dass sich das im Moment gerade ändert. Das Bewusstsein wächst, dass die Natur ein begrenztes Gut ist und wir ihr Sorge tragen müssen.»
Banken und Versicherungen versuchen derzeit zu verstehen, welche Naturrisiken es im Zusammenhang mit Anlagen, mit Krediten oder auch mit Versicherungen gibt. Wie sie aktiv zum Schutz der Natur beitragen können, das ist noch nicht klar.
Artenschutzprojekte, die eine Rendite abwerfen, gebe es derzeit noch kaum, bestätigt Sabine Döbeli von Swiss Sustainable Finance. Ein wichtiges Kriterium, um private Geldgeber für den Artenschutz zu gewinnen, sind Zahlen zu Preisen.
Staat soll klare Regeln setzen
Das sei gleichzeitig aber auch gefährlich, meint Nele Marien. Die Belgierin ist Biodiversitätsverantwortliche bei Friends of the Earth International, einem Zusammenschluss von über 70 Nichtregierungsorganisationen.
«Sobald etwas ein Preisschild hat, steht es zum Verkauf», sagt sie. Wenn ein Unternehmen dort eine Produktionsstätte bauen will, wo Esel leben und diese mehr Rendite verspricht, müssten die Esel wohl daran glauben.
Nele Marien fordert deshalb, dass der Staat viel mehr Verantwortung übernimmt, Schutzgebiete ausscheidet und auch dafür bezahlt, ohne dafür auf privates Geld zu setzen.
Der Umweltökonom Daniel Müller ist nicht grundsätzlich gegen private Gelder. Er fordert aber, dass der Staat klare Regeln setzt. «Es wird nicht so viel Biodiversität geschützt, wie wir aus gesellschaftlicher Sicht für eine nachhaltige Entwicklung bräuchten.»
Es ist ja nicht so, dass der Staat bisher nicht eingreift. Er subventioniert in vielen Ländern die Landwirtschaft massiv, trägt damit aber auch zum Artenverlust bei.