Die Schweiz stehe in Sachen Schutzfläche gemessen an der Gesamtfläche des Landes schlecht da, sagt Friedrich Wulf von der Naturschutzorganisation Pro Natura. Mit 6.6 Prozent sei das Land gemäss einer Untersuchung der Europäischen Umweltagentur so ziemlich das Schlusslicht in Europa.
Die Schweiz ist mit 6.6 Prozent so ziemlich das Schlusslicht in Europa.
Ganz so schlecht sehen die Schweiz nicht alle – die Zahlen gehen auseinander. So rechnet die OECD mit knapp zehn Prozent, das Bundesamt für Umwelt (Bafu) mit 13.4 Prozent Naturschutzfläche in der Schweiz.
Gemeinsame Standards fehlen
«Je nach Berechnungsmethode kommt man auf andere Zahlen. Die internationalen Standards müssen geklärt werden», sagt Reinhard Schnidrig, Sektionschef Wildtiere und Artenförderung beim Bafu und derzeit an der Biodiversitätskonferenz in Montreal.
Das Thema Standards wird gerade jetzt in Montreal diskutiert: Soll man zum Beispiel, wie die Schweiz derzeit, auch Landwirtschaftsflächen dazuzählen, die für einige Jahre als Biodiversitätsförderflächen ausgewiesen sind, später aber wieder untergepflügt werden?
Man stecke in einem Dilemma, sagt Almuth Arneth, Ökologin am Karlsruher Institut für Technologie und verweist auf die sogenannten «Papier-Parks». Also Schutzgebiete, die auf dem Papier ausgewiesen sind, wo aber die Nutzung durch den Menschen weiterläuft wie bisher. So lasse sich schnell viel Fläche erreichen, kritisiert Arneth.
Ziel müsse sein, wirklich etwas für die Tier- und Pflanzenarten zu tun, so die Ökologin. In einigen Gebieten brauche es dazu einen totalen Schutz. In anderen hingegen sei eine gewisse Nutzung weiterhin möglich oder sogar nötig. Diese Frage gelte es von Fall zu Fall abzuwägen.
In einigen Gebieten braucht es den totalen Schutz, in anderen ist eine gewisse Nutzung weiterhin möglich oder sogar nötig.
Das Bafu lässt die Kantone derzeit auflisten, welche weiteren Flächen wie etwa renaturierte Flussläufe als Schutzgebiete dazugezählt werden könnten. Erst mit einer Übersicht über die flächenbasierten Massnahmen könne dann der Schweizer Beitrag am weltweiten Ziel definiert werden – der Schutz von 30 Prozent der Erd- und Meerfläche bis 2030.
Doch in der Schweiz sind in den letzten Jahren zahlreiche geplante Naturparks von der Bevölkerung abgelehnt worden. Der Bundesrat schlug als Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative 17 Prozent geschützte Landesfläche vor, doch der Nationalrat hat diesen Vorschlag bereits versenkt.
Wie viel soll und kann die Schweiz beitragen?
Noch lasse sich nicht sagen, wie realistisch das angestrebte Ziel von 30 Prozent Schutzfläche für die Schweiz seien, sagt Schnidrig. «30 bis 30» sei ein globales Ziel. Entsprechend könne die Schweiz auch weniger machen, wenn andere Länder wie etwa Brasilien mit dem Amazonas-Regenwald oder afrikanische Länder wie der Senegal dafür mehr Schutzgebiete auswiesen.
Das 30-bis-30-Ziel ist ein globales Ziel.
Diese Haltung teilt Wulf von Pro Natura überhaupt nicht: «Die Biodiversität in der Schweiz umfasst ganz andere Arten und Lebensräume als etwa in Senegal und umgekehrt.» Darum sei es wichtig, ein repräsentatives Schutzgebiet-Netz in der Schweiz zu haben. Die Schweiz sei nicht glaubwürdig, wenn sie in Montreal 30 Prozent Schutzfläche fordere, selber aber nicht mit gutem Beispiel vorangehe.