«Teilweise bin ich als Arzt kränker als meine Patienten», berichtet Andy*, er arbeitet als Assistenzarzt in einem Basler Spital. Dass er auch fiebrig zur Arbeit geht, ist bei ihm keine Ausnahme, «es geht einfach nicht anders». Zudem arbeitet der Mediziner häufig 60 bis 70 Stunden, teilweise bis zu 80 Stunden pro Woche.
Was ihn aber wirklich stört, sind die Überstunden aufgrund veralteter Technik und Prozessen. «Niemand von uns würde sich beklagen, wenn wir wegen eines Notfalls oder eines Patienten länger bleiben müssten. Aber aufgrund schlechter IT-Systeme aus dem letzten Jahrhundert Überstunden schieben, das ist frustrierend.»
Ähnlich wie Andy äussert sich auch Larissa*, und auch wie er will sie nur anonym Auskunft geben, denn die Medizin-Welt sei klein. «Man setzt ansonsten seine Karriere aufs Spiel.» Wer sich negativ äussern würde, bekomme kaum mehr eine Stelle, darauf seien die Assistenzärztinnen und -ärzte in der Ausbildung mit dem Rotationsprinzip angewiesen. Deshalb würden viele trotz teils katastrophalen Umständen schweigen. «Alle wissen, dass das System scheisse ist, aber niemand getraut sich, etwas dagegen zu sagen».
Ein gesamtschweizerisches Problem
Die Aussagen der beiden Mediziner decken sich mit der aktuellsten Mitgliederbefragung des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (VSAO). Im Schnitt arbeiten die jungen Assistenzärzte 58 Stunden pro Woche, unter diesem Druck haben laut dieser Umfrage zwei Drittel davon im Stress Patienten durch Fehler gefährdet.
Medizinisches Personal unter Druck und eine grössere Fehlerquote: Müssen wir uns als Patienten auf eine schlechtere Gesundheitsversorgung einstellen? «Definitiv», sagt Larissa, «wenn man in einer kurzen Zeit so viele Kranke betreuen muss – dann passieren einfach Fehler.»
Grundsätzlich existiert eine Maximalzeit von 50-Stunden, inklusive vier Stunden Mindestzeit für strukturierte Weiterbildung in Spitälern. «Diese Ausbildungszeit erhalte ich jedoch nie», sagt Andy. Dies sei eine einseitige Nichteinhaltung des Vertrags.
Fehlende Weiterbildung
Kritisch ist dies auch, weil die Spitäler als Weiterbildungsstätten von den Kantonen jährlich 15'000 Franken pro Assistenzarzt erhalten – das Geld soll jedoch explizit für die strukturelle Weiterbildung verwendet werden. Für die Kontrolle der Ausbildungszeit ist das Schweizer Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) zuständig.
Auf Anfrage meint das SIWF, dass sie die Regelungen erarbeitet haben und auch dafür verantwortlich seien, zu überprüfen, ob die Assistenzärzte ihre Weiterbildungen erhalten. Allerdings sei es sehr kompliziert, um wirklich Konsequenzen zu ziehen. Die gesamte ärztliche Weiterbildung werde zurzeit jedoch modernisiert. Der Spitalverband H+ sieht neben der Politik auch die Versicherer in der Pflicht, sie müssten ihre Tarife anpassen, damit die Spitäler bessere finanzielle Mittel hätten.
Während sich die Spitäler, Kantone und Politik gegenseitig die Verantwortung zuschreiben, heisst es bei Larissa weiterhin kurze Nächte und lange Arbeitstage unter einem enormen Druck. «Wir alle wollen das Beste für die Patienten – aber unter diesen Voraussetzungen ist dies oftmals nicht möglich – und das tut mir als Medizinerin im Herzen weh.»