So deutlich wird das UNO-Kinderhilfswerk Unicef selten. Es warnt davor, dass die Schweiz die Kinderrechtskonvention verletzen könnte. Konkret geht es um ein Geschäft, das diese Woche der Ständerat diskutiert. Es fordert: Menschen, die in der Schweiz vorläufig aufgenommen sind, sollen ihre Familien nicht mehr zu sich holen dürfen.
Die vorläufig Aufgenommenen in der Schweiz sind häufig Männer. Die Nachgezogenen sind deshalb in den allermeisten Fällen die Ehefrauen und Kinder – laut Staatssekretariat für Migration zu 94 Prozent.
Nicole Hinder vom Kinderhilfswerk Unicef fordert deshalb vom Parlament, dass man diese Diskussion auch aus Perspektive des Kindes führen müsse. «Wir können uns alle vorstellen, wenn ein Kind drei Jahre warten muss, bis es den eigenen Vater oder die eigene Mutter wiedersehen kann. Das ist eine unglaublich lange Zeit.»
Unicef blickt sorgenvoll auf Debatte
Obwohl vorläufig Aufgenommene kein Asyl erhalten haben, bleiben sie oftmals über Jahre in der Schweiz. Sie können nicht in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werden, weil dort zum Beispiel ein Bürgerkrieg herrscht oder eine humanitäre Katastrophe droht.
Umso bedenklicher sei es, wenn Kinder und Frauen nicht mehr in die Schweiz nachgeholt werden können, sagt Hinder. «Alleinerziehende Mütter mit Kindern sind besonders vulnerabel, wenn sie beispielsweise in einem Bürgerkriegsland sind.»
In der Schweiz gilt seit über 25 Jahren die UNO-Kinderrechtskonvention und somit das Grundprinzip: Jedes Kind hat das Recht auf Familie. Verhindere man einen Familiennachzug für Personen mit vorläufiger Aufnahme, so Nicole Hinder vom UNO-Kinderhilfswerk Unicef, sei das ein Verstoss gegen diese Konvention.
Der Ball liegt beim Ständerat
Im Parlament sind die mahnenden Worte von Unicef bislang nicht durchgedrungen. Der Nationalrat hat das Geschäft im November beraten und will vorläufig Aufgenommenen das Recht auf Familiennachzug wegnehmen. Am Mittwoch kommt das Geschäft in den Ständerat.
SVP-Ständerätin Esther Friedli hat den Vorstoss ins Parlament gebracht. Sie ist überzeugt: Wer in der Schweiz kein Asyl erhalten habe, habe auch kein Recht auf Familiennachzug: «Wenn zum Beispiel ein Vater in die Schweiz kommt und sein Asylgesuch abgelehnt wird, kann das ja nicht heissen, dass seine ganze Familie nachziehen kann.»
Hohe Hürden für Familiennachzug
Doch oft kommt das nicht vor: Schon heute sind die Hürden für Personen mit vorläufiger Aufnahme hoch, ihre Familie in die Schweiz holen zu dürfen. Sie müssen zum Beispiel finanziell auf eigenen Beinen stehen und für Wohnung und Leben der ganzen Familie aufkommen können. Pro Jahr werden im Schnitt gerade mal rund 100 Personen, vor allem Frauen und Kinder, nachgezogen.
Es gibt ein Recht auf Familienleben. Aber es gibt kein Recht darauf, dass man mit seiner Familie irgendwo hinziehen kann.
Zum Vorwurf des UNO-Kinderhilfswerks, die Schweiz würde bei einem Verbot des Familiennachzugs mit der Kinderrechtskonvention brechen, sagt Friedli: «Es gibt ein Recht auf Familienleben. Aber es gibt kein Recht darauf, dass man mit seiner Familie irgendwo hinziehen kann.»
Deshalb fordert SVP-Frau Friedli, dass die Personen mit vorläufiger Aufnahme möglichst rasch ausgeschafft werden – zurück ins Herkunftsland und somit auch zurück zu ihrer Familie.