SRF News: Wie schätzen Sie den Vorfall in Arosa ein?
Jonathan Kreutner: Wenn man diesen Aushang sieht, ist der erste Gedanke ganz klar: Das ist diskriminierend gegenüber jüdischen Menschen. Ob es Absicht war oder nicht, weiss man nicht. Aber antisemitisch sieht es auf den ersten Blick natürlich schon aus.
Antisemitisch sieht der Aushang auf den ersten Blick natürlich schon aus.
Gibt es viele solche Vorfälle in Schweizer Tourismusdestinationen?
Solche Vorfälle gibt es wenige. Konflikte dagegen kommen immer wieder vor. Davon haben wir Kenntnis. Das rührt natürlich auch daher, dass sehr viel Unverständnis auf beiden Seiten herrscht – auf der einen Seite über die Art und Weise, wie jüdische Menschen leben und wie ihre Bräuche sind, auf der anderen Seite kennen viele Leute die Schweizer Kultur nicht und wissen nicht, wie sie funktioniert.
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) hat ein Projekt lanciert, um solche Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Was machen Sie dabei genau?
Das Projekt gibt es schon länger. Wir haben es vor einem Jahr zufälligerweise auch schon in Arosa ausprobiert. Wir wollen damit einerseits in den Tourismusorten zur Aufklärung über jüdisches Brauchtum und Leben beitragen – und auch darüber, was jüdische Menschen verletzen kann, zum Beispiel ein solcher Aushang. Andererseits – und das ist uns genauso wichtig – möchten wir auch auf der jüdischen Seite mehr Verständnis für die Art und Weise wecken, wie die Schweiz funktioniert.
Mit unserem Projekt wollen wir in den Tourismusorten zur Aufklärung über jüdisches Brauchtum und Leben beitragen.
Was tun Sie konkret – beispielsweise in Arosa?
In Arosa haben wir gemeinsam mit dem Tourismusbüro zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Es ging darum, die jüdischen Eigenheiten zu erklären, was etwa der Schabbat und koscheres Essen sind und worauf beim Umgang mit den Geschlechtern zu achten ist. Es ist uns wichtig, dass die Tourismusdestinationen die Sensibilität im Umgang mit jüdischen Gästen kennen. Was wir noch nicht gemacht haben, ist, bei den Touristen selber anzusetzen. Es ist genauso wichtig, dass sie wissen, was man von ihnen erwarten kann und wie die Dinge in der Schweiz funktionieren, etwa dass man sich hier grüsst.
Andererseits möchten wir auch auf der jüdischen Seite mehr Verständnis für die Art und Weise wecken, wie die Schweiz funktioniert.
Wie wollen Sie den Kontakt zu den jüdischen Gästen aus dem Ausland herstellen?
Man kann sie kaum in ihren Herkunftsländern abholen. Die Idee ist vielmehr, dass man in den Tourismusorten angeht, nämlich dort, wo sie sich versammeln, etwa in jüdischen Gebetshäusern oder auch an Veranstaltungen. Es wird zwar sehr schwierig sein, den jüdischen Gästen das zu erklären, aber wir wollen es versuchen und dabei auch mit inländischen orthodox-jüdischen Personen zusammenarbeiten.
Mit dem Projekt wollen wir unseren Beitrag dazu leisten, dass die Schweizer Bergregionen weiterhin eine attraktive Tourismusdestination für jüdische Gäste bleibt.
Soll dieses Projekt Vorfälle wie in Arosa verhindern?
Das hoffen wir und das wäre das Ziel des Projekts. Damit wollen wir unseren Beitrag dazu leisten, dass die Schweizer Bergregionen weiterhin eine attraktive Tourismusdestination für jüdische Gäste bleibt. Sie ist es heute und wird es auch nach diesem Vorfall sicher bleiben.
Das Gespräch führte Noëmi Ackermann.