Es sei zentral für das Ansehen des Parlaments, dass es frei von einem Korruptionsverdacht sei, so die Begründung von Mattea Meyer (SP/ZH), Präsidentin der nationalrätlichen Immunitätskommission. Der Vorwurf, das Parlament schütze seine Mitglieder oder Ehemalige, dürfe nicht im Raum stehen bleiben. Zu dieser Einschätzung hätte Meyers Kommission aber schon im Juni kommen können. Damals wollte die nationalrätliche Immunitätskommission Christian Miesch noch vor einer Strafverfolgung durch die Bundesanwaltschaft schützen.
Dabei war der mutmassliche Korruptionsfall schon zu diesem Zeitpunkt in allen Details bekannt: Die Bundesanwaltschaft verdächtigt Miesch, 4635 Franken von Lobbyist Thomas Borer angenommen zu haben. Der Verdacht: Miesch habe dafür eine Interpellation im Interesse Kasachstans eingereicht. Borer spricht bei der Überweisung an Miesch von einer «Fehlbuchung».
Kehrtwende nicht glaubhaft begründet
Es brauchte erst einen äusserst klaren Entscheid der ständerätlichen Rechtskommission: Mit nur einer Gegenstimme beschloss sie im August, der Bundesanwaltschaft ein Strafverfahren gegen Christian Miesch zu ermöglichen. Das rechtsstaatliche Interesse sei höher zu gewichten als der Schutz der Parlamentarier.
Dieses klare Verdikt brachte die Immunitätskommission des Nationalrats nun unter Zugzwang: Dort hatten sich offenbar einige Ratsrechte in der ersten Sitzung quer gestellt. Wieso die zuständigen Nationalräte den Fall nun anders beurteilen als in der ersten Runde, konnte die Immunitätskommission heute nicht glaubhaft begründen.
Auch wenn der Entscheid, den Fall Miesch nun von einem Gericht beurteilen zu lassen, etwas spät kommt, so ist es doch ein gutes Zeichen: Das Schweizer Parlament kennt bei einem Korruptionsverdacht keine Toleranz mehr.