Hinter den Kulissen geht der Poker zwischen Bern und Brüssel ums Rahmenabkommen weiter: Bis zum 30. Juni entscheidet sich, ob die EU die Daumenschrauben anzieht und die Anerkennung der Schweizer Börse aussetzt. Die Stimmung ist frostig.
In dieser delikaten Phase diskutierte der Nationalrat darüber, ob die Schweiz beim Rahmenabkommen hart bleiben und «Zusatzverhandlungen» über strittige Punkte fordern soll.
Jein zum Rahmenabkommen
Zudem ist in der Motion etwas schwammig von «anderen geeigneten Massnahmen» die Rede, die der Bundesrat ergreifen soll. Das erklärte Ziel: Das Abkommen soll mehrheitsfähig gemacht werden – was es derzeit auch für den Bundesrat nicht ist. Er setzt auf Qualität statt Tempo.
Mit 122 zu 39 Stimmen bei 24 Enthaltungen unterstützte der Nationalrat die Motion seiner Wirtschaftskommission. Sie verpflichtet den Bundesrat mit der EU beim Lohnschutz, der Unionsbürgerrichtlinie und den staatlichen Beihilfen nachzubessern.
Weil der Bundesrat genau über diese Punkte Präzisierungen mit Brüssel anstrebt, wird die Motion wenig praktische Auswirkungen haben. Nichtsdestotrotz: Nachdem bereits der Ständerat – gewohnt unaufgeregt – für eine ähnliche Motion stimmte, stieg heute bei den Ratskollegen die Fieberkurve.
Abschottung, Isolation, und Nationalismus sind nicht nur ewiggestriger Schwachsinn. Sie sind schlicht keine rationale Option für die Schweiz – politisch, wirtschaftlich, menschlich.»
Gewerkschafter Corrado Pardini (SP/BE) warnte: Ohne Europa sei die Schweiz ein armes, kleines Land. «Wir brauchen und wollen ein Abkommen. Abschottung, Isolation, und Nationalismus sind nicht nur ewiggestriger Schwachsinn. Sie sind schlicht keine rationale Option für die Schweiz – politisch, wirtschaftlich, menschlich.»
Der Bundesrat sei nun «endlich von einem Teil des Problems zu einem Teil der Lösung geworden», so Pardini. Mit einer prominenten Ausnahme: «Bundesrat Cassis und Kräfte in der Wirtschaft und Verwaltung versuchen, den Rahmenvertrag für die soziale Demontage in der Schweiz zu missbrauchen. Sie bereiten letztlich der SVP das Bett.»
Es gibt nur eines: Rückweisung des Abkommens. Ich bitte den Aussenminister, das der EU in den nächsten Tagen so zu kommunizieren.
Vier Monate vor den eidgenössischen Wahlen verabschiedeten sich die Parlamentarier mit markigen Voten in die politische Sommerpause. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi warf der Linken vor, beim Abkommen Konzessionen aus dem Bundesrat herauszupressen – nur, um am Ende doch der EU beizutreten.
Dann setzte Aeschi zur Grundsatzkritik an. Der Hund liege bei der dynamischen Übernahme von EU-Recht begraben. Damit gebe die Schweiz ihre Souveränität auf: «Es gibt nur eines: Rückweisung des Abkommens. Ich bitte den Aussenminister, das der EU in den nächsten Tagen so zu kommunizieren.»
Für Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli war klar: Die Motion stärke dem Bundesrat, der lange ohne Kompass agiert habe, den Rücken. Ohne Klarstellungen sei das Abkommen chancenlos, warnte auch Markus Ritter (CVP/SG).
Kritik gegenüber der «dogmatischen Haltung von Links und Rechts» gab es aus der politischen Mitte und von der FDP: «Ohne Not setzen sie das gut funktionierende, massgeschneiderte bilaterale System aufs Spiel», sagte Tiana Angelina Moser (GLP/ZH). Für Hans-Peter Portmann (FDP/ZH) braucht es zwar «Konkretisierungen».
Genau das versuche der Bundesrat in Brüssel zu erreichen. «Zusatzverhandlungen» seien aber illusorisch: «Mit der Motion fordern Sie Dinge, die unmöglich sind und legen dem Bundesrat Steine in den Weg.» Statt diesen zu unterstützen, würde man den bilateralen Weg torpedieren. Für einen raschen Abschluss plädierte auch Martin Landolt (BDP/GL). Wer jetzt Nachverhandlungen fordere, ignoriere, dass der vorliegende Entwurf bereits das Resultat mehrjähriger Verhandlungen sei.