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Aufweichung des Lohnschutzes? SGB-Präsident schlägt Türe endgültig zu

Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann will eine «Geste gegenüber Brüssel». Gewerkschaftspräsident Paul Rechsteiner ist empört.

Der Bundesrat will weiter mit der EU über ein Rahmenabkommen verhandeln. Allerdings im Rahmen des bisherigen Verhandlungsmandates, wie er am Freitag beschlossen hat. Die flankierenden Massnahmen zum Schutz der Schweizer Löhne vor Lohndumping werden in diesem Mandat als rote Linie definiert – und damit auch die Regel, wonach sich ausländische Arbeitgeber acht Tage vorher anmelden müssen, wenn sie Arbeitnehmer in die Schweiz entsenden wollen.

Im Interview mit SRF nach der bundesrätlichen Medienkonferenz hielt Aussenminister Ignazio Cassis die Konsequenz daraus klipp und klar fest: «Die Verhandlungen werden entlang des heutigen Verhandlungsmandates stattfinden. Und das heutige Verhandlungsmandat gibt uns nicht die Möglichkeit, eine andere Meldefrist zu verhandeln. Es ist die Acht-Tage-Regel. Sie ist im Verhandlungsmandat. Sie ist nicht verhandelbar.»

Wenn es ein Rahmenabkommen geben soll, dann müsse sich die EU in der Frage der flankierenden Massnahmen bewegen, hat Staatssekretär Roberto Balzaretti an der Medienkonferenz selbst präzisiert.

Schneider-Ammann für «Geste» gegenüber der EU

Doch nicht einmal zwölf Stunden später ist ein Mitglied des Bundesrates bereits wieder von diesem Entscheid abgewichen. In der «Samstagsrundschau» von Radio SRF erklärte Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann: «Wir können nicht nur fordern. Wir müssen halt auch noch ein bisschen etwas geben.»

Bei den flankierenden Massnahmen brauche es nun eine Geste gegenüber der EU, betont der Wirtschaftsminister in der Sendung: «Wir sehen einen Weg. Ich sehe einen Weg, wie man mit relativ wenig Entgegenkommen eine Geste machen kann.» Auf Frage des Interviewers, wie dieser Weg aussehe, antwortet Schneider-Ammann: «Indem man die Dauer, die es für die Voranmeldung braucht, ein klein wenig kürzt.»

Wenn Herr Schneider-Ammann so etwas sagt, dann reiht sich das ein in die Fehlleistungen der letzten Wochen und Monate.
Autor: Paul Rechsteiner SP-Ständerat und Gewerkschaftspräsident

Über diese Verkürzung der Acht-Tage-Regel wolle er nun mit den Kantonen und den Sozialpartnern sprechen, kündigt Schneider-Ammann an. Also auch mit den Gewerkschaften, die noch bis zum Entscheid des Bundesrates vom Freitag jegliche Verhandlungen kategorisch ausgeschlossen hatten: «Selbstverständlich muss Ständerat Paul Rechsteiner als Gewerkschaftsboss mit an den Tisch.»

Schneider-Ammann und Paul Rechsteiner 2015 im Parlament
Legende: Gewerkschaftsboss Rechsteiner (rechts) reagiert ungehalten auf die neuesten Aussagen von Bundesrat Schneider-Ammann zum Lohnschutz. Keystone/Archiv

Doch dieser denkt nicht daran. Von Radio SRF auf die neuesten Aussagen des abtretenden Bundesrates Schneider-Ammann angesprochen, reagiert der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes ungehalten: «Wenn Herr Schneider-Ammann so etwas sagt, dann reiht sich das ein in die Fehlleistungen der letzten Wochen und Monate. Es ist einfach verantwortungslos und man kann nur sagen, es wird Zeit, dass hier ein Wechsel stattfindet.»

Rechsteiner schliesst Verhandlungen aus

Es sei ja nicht so, dass er in den letzten Wochen nie mit dem Wirtschaftsminister gesprochen habe, betont Rechsteiner. Im Gegenteil. Er habe ihm die Ausgangslage mehrfach in deutlichen Worten erklärt: «Es ist einfach ein Problem, wenn man mit einem Wirtschaftsminister spricht und nach eineinhalb Stunden eigentlich den Eindruck hat, er habe es jetzt verstanden und nachher einfach so getan wird, wie nichts wäre.»

Auf jeden Fall, macht Rechsteiner unmissverständlich klar, werde er mit Schneider-Ammann an keinen Verhandlungstisch sitzen: «Zu verhandeln gibt es nichts. Wir sind nicht bereit, uns an seinen Vorschlägen zur Demontage des Lohnschutzes zu beteiligen.»

Drei Tage nach seinem Entscheid steht der Bundesrat in der EU-Frage schon wieder vor einer Blockade.

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