Im Bundesrat treten zwei Magistrate zurück. Was bedeutet die anstehende Doppelvakanz auf personeller Ebene? Ist der Weg jetzt frei für die erste FDP-Bundesrätin seit dreissig Jahren? Und welche Konsequenzen hat diese Regierungs-Rochade auf eine der aktuell grössten Baustellen im Bundeshaus – das Rahmenabkommen und damit unsere Beziehungen zur EU? In diesem Spannungsfeld wurde in der «Arena» diskutiert.
Das Kandidatenkarussell
Zu Beginn der Sendung wurde über die beiden Rücktritte in der Landesregierung diskutiert. Die Baselbieter Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter bedauerte es sehr, dass ihre Parteikollegin – ein «Leuchtturm» des Bundesrates – zurückgetreten ist. Die Geschlechterfrage wollte sie jedoch nicht unbedingt beantworten. Der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller verwahrte sich der Anschuldigungen, dass seine Partei nie Frauen aufs Bundesrats-Ticket gestellt hat. «Wir haben immer eine Frau aufgestellt, das Parlament hat sie nie gewählt», meinte Müller. Nationalrat Corrado Pardini (SP/BE) betonte in diesem Zusammenhang, dass eine angemessene Vertretung der Frauen im Bundesrat Sinn mache und richtig sei.
Man muss nicht so tun, als wären die Parlamentarier alles Engel.
Alt Bundesrat Christoph Blocher gab zu Bedenken, dass es schlecht sei, wenn über die Geschlechterfrage in einer Regierung diskutiert werden müsse. Schneider-Schneiter pflichtete ihm bei und meinte, dass letztlich fähige Leute im Bundesrat sein müssen. Sie gab sich aber überzeugt, dass nach der Bundesratswahl am 5. Dezember mindestens zwei Frauen im Bundesrat sein werden. «Am besten drei». Dabei war für sie klar, dass Karin Keller-Sutter, die St. Galler FDP-Ständerätin, praktisch gewählt ist. Dieser Meinung war auch Politgeograf Michael Hermann. «Für mich ist Karin Keller-Sutter gesetzt – es wird aber ein spannendes Rennen».
Der Bundesrat hat es nicht geschafft, rechtzeitig ein fixfertiges Rahmenabkommen vorzulegen.
Blocher betonte wiederum, dass hinter einer solchen Bundesratswahl auch viel Taktik stecke: «Man muss nicht so tun, als wären die Parlamentarier alles Engel. Es hat schon jemand zu solchen Wahlen gesagt: ‹So gelogen wie dort, wird nirgends›. Und er hatte Recht.»
Das Rahmenabkommen mit der EU
Bei diesem Thema gab es zunächst eine Rüge zuhanden der Landesregierung: «Der Bundesrat hat es nicht geschafft, rechtzeitig ein fixfertiges Rahmenabkommen vorzulegen. Ihm fehlte der Mut, im richtigen Augenblick abzudrücken», kritisierte Schneider-Schneiter. Müller meinte wiederum, dass nicht der Zeitpunkt stimmen müsse, sondern der Inhalt. «Beim Rahmenabkommen geht es vor allem um den Zugang zum EU-Markt.»
Cassis hat gerade die Diskussion in Gang gesetzt.
Hermann widersprach hier und betonte, dass der Zeitpunkt einer solchen Lancierung dennoch wichtig sei. Man könne dem Bundesrat nicht die Schuld geben, dass das Rahmenabkommen noch nicht unter Dach und Fach sei. «Das ‹Window of oportunity› hat sich noch nicht geöffnet.»
Gewerkschafter Pardini kritisierte vehement die Stellung des Bundesrates und meinte, dass Aussenminister Ignazio Cassis mit seinem «Reset-Knopf» zum Meldeläufer der EU wurde. Dies sah Cassis’ Parteikollege Müller nicht so: «Cassis hat gerade die Diskussion in Gang gesetzt.»
Der Lohnschutz ist nicht verhandelbar! Es geht hier ums Eingemachte.
Ganz klar auch Blochers Position: «Wir hätten es lieber, wenn das Rahmenabkommen vom Tisch wäre. Der Grund liegt darin: Die EU verlangt von der Schweiz in wesentlichen Teilen EU-Gesetze zu übernehmen. Das sei die dynamische Rechtsübernahme.» Die Professorin für Europarecht an der Universität Basel, Christa Tobler, pflichtete Blocher nur zu einem Teil bei. «Es ist nicht so, dass die Schweiz gar keinen Einfluss hat.» Bei einem Nein gebe es auch andere Wege.
Die flankierenden Massnahmen
In diesem Bereich gerieten sich die Protagonisten am stärksten in die Haare. Corrado Pardini klagte an, dass wenn Cassis den Lohnschutz über Bord werfe, dann sei es klar, dass die Gewerkschaften Nein sagen. Mehrere Male betonte er: «Der Lohnschutz ist nicht verhandelbar! Es geht hier ums Eingemachte.» Blocher meinte wiederum, dass wenn das EU-Rahmenabkommen durchkommt, dann befehle die EU. «Und dann können die Gewerkschaften abfahren.»
Die verschiedenen Punkte der flankierenden Massnahmen seien nicht die Erfindung von Cassis, meinte Blocher weiter. Die EU habe gefordert, dass die flankierenden Massnahmen in diesen Punkten gelockert werden müssten. «Das ist auch klar warum: Die Punkte widersprechen der Personenfreizügigkeit.»
Es geht nicht darum, dass die Flankierenden Massnahmen nicht angetastet werden.
Politgeograf Hermann erklärte, dass die wenigsten dafür seien, dass die flankierenden Massnahmen aufgegeben werden. «Unsere Umfrage im SRG-Wahlbarometer hat ergeben, dass man wenigstens darüber reden soll. Es geht nicht darum, dass die Flankierenden Massnahmen nicht angetastet werden.»
Die Kohäsionsmilliarde
Hier erklärte Blocher, dass er niemanden kenne, der dafür zahle, damit er exportieren könne und fragte dann auch: «Was zahlt denn die EU, dass sie am Schweizer Markt teilnehmen darf?»
Es ist nicht so, dass die Schweiz gar keinen Einfluss hat.
Schneider-Schneiter meinte, dass man schon sehen müsse, dass das auch ein Pfand sei für die Verhandlungen über das Rahmenabkommen. Pardini pflichtete ihr bei und gab auch zu bedenken: «Mit der Kohäsionsmilliarde stützen wir diese Länder und die Schweiz profitiert davon.»